© Valerie Fritsch
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Valerie Fritsch: Biolumineszente Lebewesen als Festtagsschmuck

in Writers' Blog

Die Welt wird aufgeputzt zu den winterlichen Feiertagen, verziert mit Strohengel und Nadelkranz, erleuchtet von Halogenstern und Kerzenschein, gelben Fenstern in der Nacht und Lichterketten an den Toren, als habe man sich einer großen Dunkelheit zu widersetzen. Ich hab’ meine finsteren Zimmer mit Bienenwachskerzen und biolumineszenten Lebewesen geschmückt. Die Wände behangen mit leuchtenden Tieren, mit durch chemische Prozesse Licht erzeugenden Geschöpfen, mit strahlenden Kreaturen, schwelend, schmuck und hochenergetisch. Die Glühwürmchen saßen wie Galaxien auf den dunklen Blättern der Philodendren. Die Ölbaumpilze glommen in den Ecken zwischen den Ornamenten der Orientteppiche. An der Decke schwebten kopflose Tiefseegestalten. Vampirtintenfische und Kalmare schimmerten grün in ihren Mänteln, so mild, als wären sie durchsichtig. Fluoreszierende Quallen breiteten ihre Glockenkörper wie Schirme in die Dunkelheit. Am Weihnachtsbaum hingen Wunderlampen aus dem tiefsten Meer zwischen den Lamettafäden. Es roch nach Salz und Tannennadel. In den Kristallgläsern schwamm Plankton und auf den frischen Festtagsheringen leuchtete das Bakterium Vibrio fischeri. Zu Silvester strahlten die Gäste mit Festtagsgesichtern im Schwarzlicht. Mitternachts stiegen vor den Fenstern die Raketen in den Himmel und in unserer Mitte explodierte ein Leuchtkaninchen ähnlich jenem des Künstlers Eduardo Kac, das man im Jahr zweitausend auf einer Kunstaustellung präsentiert hatte. Durch die Einschleusung des Proteins einer Qualle in das Erbgut des Säugetiers hatte man Fluoreszenz erreicht. Zu Jahreswechsel explodierte, noch während wir die Gläser zusammenstießen, unser Leuchtkaninchen, wurde eine Supernova, wurde gleißend hell, nahm für Sekunden die Dunkelheit hinweg, verlosch wie eine Sprühkerze und verschwand. Und wir tranken im Schein der Glühwürmchen und Kalmare auf das neue Jahr.

Valerie Fritsch, Schriftstellerin, geb. 1989 in Graz. Studium an der Akademie für angewandte Photographie, Mitglied der Grazer Literaturgruppe „plattform“. Zuletzt erschien der Roman „Winters Garten“ (Suhrkamp, 2015).