Ralf B. Korte: G119

in Writers' Blog

vom nichtexistenten sprechen : eine grazer gruppe hat schon in den 60ern nicht existiert — es sprach nur nichts dagegen eine grazer gruppe zu behaupten, es gab schliesslich freundschaften zwischen den schreibenden die sich auf symposien zur literatur im rahmen des steirischen herbstes ab 1968 trafen .. zudem waren einige der regelmässig eingeladenen auch in der steiermark oder graznah geboren & haben in der grazer literaturzeitschrift manuskripte publiziert — einige suchten
aber gern das weite, ob wien oder berlin oder italienische städte, um weitere erfahrung zu sammeln. dass grazer gruppe ein label für behutsame moderne werden konnte, lag an der jahrzehnt-langen zurückhaltung der manuskripte : kein exponieren eines radikal politischen, eher leises experimentieren mit formen & stets blieb ein bestimmter poetischer grundton in den heften erhalten der mir — als abonnent der hefte & literaturstudent mit einigem interesse an zeitgenössischer
österreichischer literatur — damals etwas vergangen klang, als wärs nur mitnahme von sich verlierenden schreibweisen oder, teils zu langsamer abschied vom gestern .. die hand des herausgebers war dabei stets spürbar, alfred kolleritschs linie klar erkennbar auch im verzicht auf den inzwischen gebräuchlichen werberummel.

gruppen-definition indessen verdankt sich in der regel entweder dem tatsächlichen bestehen einer verschworenen gemeinschaft mit definierten zielen wie sie beispielsweise in manifesten formulierbar sind, oder äusserer bedrohung künstlerischer freiheit wie z.b. in repressiven regimen, die nur bestimmte formen künstlerischen schaffens öffentlich dulden können : dann entstehen gruppierungen aus selbstschutz oder zur herstellung minimaler gegenöffentlichkeit bei entsprechend klandestinen treffen. da solche klassischen avantgarden zuzurechnende konstellationen jedoch in graz vermieden wurden, haben die früher in graz lehrenden literaturwissenschaftler kurt bartsch & gerhard melzer schon 1990 den begriff TRANSGARDE eingeführt zur charakterisierung dessen, was
besser unter grazer gruppe gefasst werden sollte. dieses zwischen bleibt genügend unbestimmt, als bewegliche wächterfunktion an einem oder mehreren übergängen innerhalb des literarischen feldes mit tendenz zur leeren repräsentation von fähigkeiten. die unter dem label gg inzwischen versammelten haben nicht allein im je eigenen schaffen einige positionswechsel vollzogen, sondern sind auch kaum als mitglieder derselben gruppe definierbar — am wenigsten jene inzwischen nachrückenden jüngst-grazer-gruppe-mitglieder, deren orientierung an den äusseren gegebenheiten ihr literarisches schreiben zum nachweis verlässlicher produktion, reproduktion & produkt-identität werden lässt .. die selbstüberholung in der ringsumbefragung stellt nun hin was fehlt & nicht fehlt, zusammenhalt als möglichen umgang des mit einander.

was die bedeutung einer grazer gruppen literatur in 100 jahren betrifft : wird es dann vermutlich keine literaturen mehr geben. die aufgabe der literatur bestand unter anderem im einüben eines bestimmten verhaltens, notwendiger moralvorstellungen, umgangsformen, vermittlung historischer & gesellschaftlicher kenntnisse sowie eines gewissen masses an eleganz im umgang mit worten, wie es zum erreichen bestimmter positionen in der bürgerlichen gesellschaft eine zeitlang
notwendig gewesen ist : distinktionsmomente, durch kanonische kenntnisse gestützt, wirkten halbdurchlässig ohne vollkommen ausschliesslich zu sein; das sich-bewegen-können in den gegebenheiten schaffte sodann heimaten, vertrautheit mit duktus & rolle der präponenten gewährleistete kriterien der beurteilung & sortierte rituale des mitsprechens. literatur allerdings verliert diese rolle, fällt allmählich aus der wahrnehmung oder wird ersatz-produkt .. die
schreibenden selbst deklinieren noch eben kanonische grössen nach um ihre rolle zu sichern, fallen im repro auf bezüglichkeit die entweder ironisch oder lakonisch von trümmern winkt, als verweis auf verlorenes bedeuten; hauptsache dabei gut aussehen & gendern wo möglich wird kaum helfen situationen zu schaffen in denen literatur zu tun vermag was sie könnte.

fürs erste bleibt unerheblich ob in 99 jahren noch bücher oder dateiverzeichnisse verfügbar sein werden die namen wie wolfgang bauer—helmut eisendle—gunter falk—barbara frischmuth—wilhelm hengstler—klaus hoffer—reinhard p. gruber—michael scharang—alfred paul schmidt als mitglieder k\einer gruppe auflisten : unabsehbar zudem ob dann noch jemand imstande sein wird, das wort graz einer landeshauptstadt am südrand der ostalpen zuzuweisen oder, mehr als 3 aufrechte
buchstaben überhaupt noch lesen zu wollen .. dass die kinder des jetzt sich fragen wie wichtig sie gewesen sein werden, löscht erinnerung ans fehlende im gegenwärtigen; dass sie es als gruppe der anderen tun anstatt sich selbst zu bestimmen lässt fragen, was oder wann sie lieber ahh, dabei gewesen wären.
statt stadt-land-fluss-schreibende zu geben die auf letzten treffen auftragsgemäsz in die bereitgestellten gräser oder gläser beissen & sich dann kleinbisschen unartig als farce oder mit repetitiven katechismen bedanken vorm fälligen obladi oblada lächeln die immer gleichen : tradition als milde moderne läuft aus, die kinder vom uber morgen wollen vermutlich mit anderen sachen spielen falls sie noch atmen können .. solide steirische luft poesie oder 100 avancierende poetinnen unterm heimischen sternchen memorieren sich bloch dann einfach anders : so entsteht in
der welt etwas, das allen in die kindheit scheint & worin noch niemand war : heimat, sagte ernst — dabei kann es lustiger heissen : heimaten ist 1 verb für inländer innen ist 1 pradikat für welt scheint etwas in entstehung zu sein wie kinder die glauben an alles hat 1 ende [nur, noch nicht]