© Cordula Simon
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Cordula Simon: Porn Race

in Writers' Blog

Letzthin wird häufig thematisiert inwiefern die Pornoindustrie ein Rassismusproblem hat. Oft wollen weiße Darstellerinnen nicht mit dunkelhäutigen Männern drehen. Hierfür bieten sie eine Vielzahl an Begründungen: Viele argumentieren mit ihrer Karriereplanung. Die Performancevielfalt wird erst langsam ausgedehnt, Körperöffnung für Körperöffnung und Setting für Setting. Mit jedem Tabubruch erhöhen sich auch die Gagen. Diese sind so gereiht, dass das größte Tabu das letzte ist, was gebrochen wird. Dann bedankt sich der Star für den AVN-Award und verkündet nun alles erreicht zu haben und sich aus dem Business zurück zu ziehen. Die Pornoindustrie hat schließlich schon immer die Grenzen von Tabus ausgetestet.
Das zweite Argument ist häufig, dass es sich um schwierigere Arbeit handle, da es sich um Arbeit mit größeren Penissen handle. Wann jedoch waren Statistiken zu Penisgrößen schon verlässlich? Die Größe ist auch für Produzenten oft ein Argument weißen Frauen mehr zu bezahlen, wenn sie mit einem schwarzen Partner arbeiten sollen.
Ein drittes Argument weiblicher Darsteller kam nun aus dem Umkreis von Alexis Texas: Sie habe einen schwarzen Freund, dem es zwar nichts ausmache, arbeite sie mit Weißen, aber er wolle nicht, dass sie mit anderen Schwarzen arbeitet. Aha.
Von anderer Seite kam die Begründung, dass diese Art von Pornografie schwarze oft rassistisch darstellen würde, und die Darstellerin das nicht fördern wollte. Tatsächlich ist es nicht schwer einen Porno zu finden, dessen Plotline daraus besteht, dass ein schwarzer Mann bei einer weißen Frau einbricht, bevor es zur Sache geht. Und dann genießt sie nach anfänglichen Zweifeln selbstverständlich das Animalische. Eh klar. Aber wie viele Mainstreampornos bleiben Klischees wirklich fern?
Schwarze Frauen seien dafür mit gruseliger Häufigkeit „bad sistas“, die notgeil über alles herfallen, was sich bewegt. Bei Latinos ist es ähnlich. Asiatische Frauen dagegen werden zart und schüchtern bevorzugt und asiatische Männer sind außerhalb der Schwulenpornos kaum zu finden.

Das Problem der Darsteller ist jedoch oft nicht die Darstellung, sondern liegt an der schlechteren Bezahlung. Weiße Frauen bekämen Aufschläge, wenn sie mit schwarzen Männern drehen, diese jedoch umgekehrt nicht. Hierbei lässt sich aber schwer sagen, inwiefern das Rassismus oder die Gefahrenzulage für die Arbeit mit einem größeren Penis ist, oder auf den Gehaltsunterschied von männlichen und weiblichen Pornostars zurückzuführen ist: Die Frauen verdienen wesentlich mehr. Weiße Frauen verdienen aber auch oft das Doppelte ihrer schwarzen Kolleginnen, was damit zu tun habe, dass Pornografie sich mit schwarzen Frauen schlechter verkaufe. Woraus sich das Publikum größtenteils zusammensetzt muss bedient werden. Was niemand sehen will ist damit also unterrepräsentiert und die entsprechenden Darsteller bekommen weniger bezahlt. Weiße sind in der Pornobrache im Vergleich zur Demografie in den USA beispielsweise 5 Prozent überrepräsentiert. Ob man das für viel oder wenig hält, hängt davon ab, ob man es vom Beginn der Pornografie an her, oder von einer idealisierten Vorstellung her betrachtet. In Europa gibt es zu derlei Vorkommnissen keine Zahlen, der Großteil der Mainstreampornografie wird aber eben auch in den Vereinigten Staaten gedreht. Entscheidet also einfach der Markt und niemand ist schuld an den Unterschieden? Oder sollte das Pornopublikum also bekehrt werden, da ihre Fantasien kein relevantes Argument seien, um einen Porno zu schauen, das müsste dann schon auch noch Ethnic Porn sein?
Nachdem der springende Punkt der Pornografie das bieten von Projektionsflächen für Fantasien ist, wird es immer Fantasien geben die im Laufe der Zeit in der Gesellschaft unterschiedlich bewertet werden. Pornografie ist Wunderland und Müllhalde der Fantasie zugleich.

Simon_bearbCordula Simon, Schriftstellerin, geb. 1986 in Graz, studierte deutsche und russische Philologie in Graz und Odessa. Koordinatorin der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz und Mitglied der Literaturgruppe „plattform“. Zuletzt veröffentlicht: „Wie man schlafen soll. Roman“ (Residenz, 2016).