© Liebmann/Wally/Cerna
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Unser Gries-Spaziergang: der wasch.gang

in wORTwechsel

Unsere Veranstaltung im Griesviertel liegt mir ganz besonders am Herzen. Ich liebe den Gries – hier ist es bunt, laut und vielfältig und nicht einmal der starke Verkehr kann das Leben von den Straßen fernhalten. Die Wände sind voller Graffitis und die Menschen voller Unternehmergeist. Drei Grazer Autor*innen Martin Murpott, Johannes Wally und Katerina Cerna – haben Geschäftsleute und Orte des Viertels besucht. Aus den Gesprächen, Begehungen und Einsichten entstehen aktuell Texte. Diese werden von den Autor*innen vor, in oder rund um die jeweilige Location präsentiert werden. Der Spaziergang führt dabei durch den eigentlichen Hauptdarsteller dieser Veranstaltung: das Griesviertel.
Dass es sich verändern könnte, ist Wunsch wie Angst vieler Grazer*innen. So schreibt Martin Murpott in seinem Text über eine Hausbesetzung im Bezirk:
Der
Griesplatz war völlig verändert und konnte eigentlich nur mehr als gentrifizierte Hipster-Hölle bezeichnet werden. Dort, wo einmal ein Konglomerat an Hausbesetzer*innen, Punks und Linke Szene-Grazer*innen tanzend ein ehemaliges Klassenzimmer bevölkerten, die Wände mit Parolen a la „Die Häuser denen, die drin wohnen“ besprüht waren und ein Aktivist Billigbier zum Selbstkostenpreis verkaufte. (Martin Murpott, Eine Hausbesetzergeschichte) 

Veränderung kann auch bedeuten, dass neue Konzepte auf alte Romantik treffen. Viele der kleinen Läden, die in den letzten Jahren schließen mussten, sind wieder eröffnet worden. So beispielsweise das LEMUR Bike & Bones, ein Fahrrad-Shop, der in einem Pawlatschenhof der Griesgasse seinen Standort gefunden hat. Johannes Wally hat Mike, den Inhaber, in seinem Geschäft getroffen und berichtet von seinen Eindrücken:
Früher dienten die ebenerdigen Räume im Innenhof der Griesgasse 24 als Lager für Boiler, Laminatküchen, Sperrmüll. Dann räumte Mike das Geschäftslokal – eine ehemalige Schlosserei – mithilfe eines doppelachsigen Pferdehängers aus und eröffnete das LEMUR Bike & Bones. […]
Hier werden nicht einfach Fortbewegungsmittel repariert, gebaut und verkauft. Hier werden Lebensinhalte verhandelt. Was aber, denke ich, als ich mich im Geschäft umsehe, machen zwei Räder und einige Metallstangen zu einem Lebensinhalt?  
Mike, der mich durch das Geschäft führt, gibt einen überraschenden Hinweis. Die Fahrradboten, meint er beiläufig, sind wie der Pony-Express im Wilden Westen. Mike meint damit nicht den Fahrstil mancher Boten. Das Fahrrad also ein Mittel zur Freiheit? Weil sich Freiheit nur als Bewegung, als selbstgewählten Ortswechsel denken lässt?
Ein Ansatz für eine Geschichte, denke ich, als ich eine Stunde später wieder auf die
Griesgasse trete. Ich weiß nur noch nicht für welche. Um das herauszufinden, werde ich zu erzählen beginnen müssen. Denn mit dem Erzählen ist es ein bisschen so wie mit den Fahrradboten und dem Pony-Express: Am Anfang ist nicht klar, wo es enden, geschweige denn welche Botschaft ankommen wird. Das wird sich erst zeigen.
(Johannes Wally, Der Pony-Express und das Erzählen: Besuch bei LEMUR Bike & Bones)

Der wasch.gang dient jedenfalls als Ausgangspunkt für viele Geschichten. Namenspatron dieser kleinen Gries-Reise ist der Waschsalon am Griesplatz, über den Katerina Cerna schreibt:
Heute den Waschsalon-Besitzer höchstpersönlich getroffen – und danach so gerochen, als wäre ich höchstpersönlich in der Waschmaschine gewesen. Ein Waschsalon-Besitzer aus Leidenschaft, der jedem fremden Waschsalon der Welt einen Besuch abstatten muss.
Der Salon selbst: Ein Schiff, dessen Bullaugen nach innen gerichtet sind – eine Reise ins Innere der Welt, sozusagen.

Mehrere Maschinen laufen gleichzeitig, manchmal piepst es, surrt, Geräuschkulisse von nasser, gegen Waschmaschinenwand (-trommel, -tür) klatschender Kleidung, schäumend, wirbelnd, später schleudernd. Es kann laut werden, richtig laut. Ein Vibrieren, ein Zittern, ein Beben. Reißverschlüsse klacken gegen die Waschmaschinentür, das Fenster, das Auge – wie das Klappern von Besteck, von – Messern. Wer wetzt hier seine Messer?
 
 

Ein Auge – gerichtet ins Innere der Welt, ins Untere der Welt, in die Unter-, die Unterwasserwelt, auf die Ertrunkenen unter dem Wasser, am Meeresgrund, hier angespült, hier sichtbar – wirf doch einen Blick durch das Auge. Into the very inner. (Katerina Cerna, o.T.) 

Diese Innenwelten werden wir über die Außenwelten kennenlernen. Und die frische Luft dieses Lesereigens bietet uns Vor- und Nachteile gegenüber Pandemie und Wetter. Und auch wenn wir bei beidem auf das Beste hoffen, werden wir doch Vorkehrungen treffen müssen, damit umzugehen.

Ulrike Freitag

Das Projekt wORTwechsel ist eine Veranstaltungsreihe in Kooperation mit ausreißer – Die Grazer Wandzeitung im Rahmen des Kulturjahres 2020.

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