Es ist endlich soweit: Unsere erste wORTwechsel-Veranstaltung über.arbeiten steht kurz bevor. Ein wenig aufgeregt ist man immer, nicht nur, weil die Bedingungen ja ganz anders sind, als wir es in unserem Konzept vorgesehen hatten. Gerne hätten wir die Räume des AMS mit den Gedanken gefüllt und Anwesende zur Diskussion eingeladen. Aber irgendwie passt es auch, denn wir hängen jetzt alle im virtuellen Raum fest: Arbeitssuchend, in Schulung genauso wie im Homeoffice oder Homeschooling. Und auch hier stellen sich die selben Fragen nach Chancengleichheit, Vereinbarkeit und einer Welt, wie sie sein könnte, wenn alles wieder anders ist.
Wir haben die Autorin Marie Luise Lehner dazu eingeladen, einen literarischen Blick auf die Ereignisse des vergangenen Jahres zu werfen. In ihrem Text protokolliert und verdichtet sie eindringlich, was die Pandemie für den*die Einzelne*n bedeuten kann.
Wir sitzen im Zug am Weg zurück nach Wien. Ich lese am Handy die Information der Regierung, laut der jetzt keine Veranstaltungen mehr stattfinden sollen. Auf der achtstündigen Zugfahrt läutet mein Handy ununterbrochen. Am anderen Ende sind Menschen, die mich nach und nach darüber informieren, dass ich alle Jobs im nächsten Jahr verliere. (Marie Luise Lehner, Protokoll der Ereignisse)
Wir müssen mit der sich ständig ändernden Situation umgehen und dabei die Ressourcen nutzen, die wir zur Verfügung haben. Und die sind definitiv nicht für alle dieselben.
Ein Freund verbringt einige Wochen in der geräumigen Wohnung und auf der Dachterrasse, eines Arztes, den er über eine Datingapp kennengelernt hat. Es ist nicht das Gleiche in einer kleinen Wohnung ohne Licht, oder in einer großen Wohnung mit Terrasse eingesperrt zu sein. (Marie Luise Lehner, Protokoll der Ereignisse)
Der literarische Zugang bietet die Diskussionsgrundlage für die Arbeitsmarktspezialistin Veronika Bohrn Mena und Astrid Dreger, Gleichstellungsbeauftrage des AMS Graz und Berufsberaterin zur Thematik des Abends: Viele der Gräben, die bereits zuvor groß waren, sind nun noch tiefer und damit sichtbar(er) geworden. Viele sehen in dieser Krise den richtigen Zeitpunkt, mögliche Lösungsansätze Realität werden zu lassen. Wie könnte eine Utopie ganz im Sinn jener, die die Pandemie als Möglichkeit sehen, in Hinblick auf Chancengleichheit am Arbeitsmarkt aussehen? Welche Schritte wären nötig, um dieser Traumvorstellung näher zu kommen und welche sollten auf der Agenda ganz oben stehen?
Ulrike Freitag
Das Projekt wORTwechsel ist eine Veranstaltungsreihe in Kooperation mit ausreißer – Die Grazer Wandzeitung im Rahmen des Kulturjahres 2020.