NEU GELESEN: Richard Stradner über Werner Schwab

in Dossier neu gelesen

Wie steigt man aus im digitalen Zeitalter – aus der Sprache, aus der Gesellschaft, aus dem Ich? Wie lässt sich Widerstand überhaupt noch formulieren? Und wie kann Kunst opponieren angesichts eines gefräßigen, alles einverleibenden Markts?
Werner Schwab, Kultfigur eines widerständigen Gestus in der kleinbürgerlich-bäuerlich-klerikal-faschistischen österreichischen Provinz in den späten 1980er, frühen 1990er Jahren, selbst noch analog arbeitend, aber mit neuesten Medientheorien vertraut, nimmt in seinem Schreiben – wie das System selbst – alles auf, amalgamiert, kompiliert, „verwurschtet“ es und spiegelt das Halbverdaute in seiner „nackten Obszönität“ der Gesellschaft wieder zurück, „das alles, um dem ‚System’ seine demaskierte Fratze entgegen zu halten“, zugleich „Zerrspiegel“ und in seiner die „Grenzen des semantischen Bereichs zur reinen Körperlichkeit hin überschreitenden“ Sprachbearbeitung „Subversionsübung“, wie es der frühverstorbene genialisch-grenzgängerische Grazer Journalist Richard Stradner in seinem Schwab-Beitrag „PUNK::SCHWAB:ARTAUD oder Fick zurück was dich zufickt (die Sprache)“ formuliert, der Schwab mit deutlich identifikatorischem Gestus in einen Gegenkanon zwischen Punk (im Gegensatz zum bereits systemkonformen Rock und Pop) und Artauds „Theater der Grausamkeit“ und am Kipppunkt zwischen dem „Authentizitätsanspruch“ einer „Überschreitungsästhetik“ (etwa durch die Fäkalsprache) und der Deutung als „intelligent angelegter Fake“ einreiht. Stradner entwirft auf wenigen Seiten eine Schwab-Poetik in nuce mit vielen Anschlussmöglichkeiten, die deutlich macht, dass Widerstand zu allen Zeiten sich nur über die Form artikulieren lässt und die in ihrer kursorisch-offenen anti-hierarchischen Form dem Schwabschen Schreiben kongenial ist.

Daniela Bartens