In Dossier 26, 2006 erschien der Beitrag „Fakten und Fiktion bei der ‚Herstellung‘ von Lebensgeschichten“. Am Beispiel des Romans Die englischen Jahre (1999) zeigt darin die Literaturwissenschafterin Veronika Leiner Norbert Gstreins höchst differenzierten Umgang mit historischer Faktizität. Dem Autor wurde ja in der publizistischen Rezeption immer wieder vorgeworfen, verkappte Schlüsselromane (Stichworte: jüdische Emigration im Nationalsozialismus, literaturbetriebliche Kabalen, Kriegsberichterstattung in Jugoslawien, das Wüten einer Verlegerswitwe) zu fabrizieren, die historische Personen einer denunziatorischen Polemik aussetzen. Leiners Beitrag beschreibt demgegenüber die literarischen Verfahrensweisen Gstreins als Methode, die den Blick auf historische Realität einerseits als emotionale Perspektivierung freilegt und gleichzeitig den höchst fragilen Beobachterstatus des Erzählers problematisiert.
Gerhard Fuchs