Registrierungsbestätigung des Österreichischen Patentamts vom 26. Juni 1986 für die Eintragung der Marke gangan ins Markenregister, Originaldokument, 1 Blatt, 2 Seiten, aus der Sammlung des gangan-Verlagsarchivs am Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung, Signatur: FNI-GANGAN-VERLAGSARCHIV.
Unter allen Beständen, die das Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung verwaltet, sticht die Sammlung des gangan-Verlagsarchivs durch ihre speziellen Archivalien hervor. Hier finden sich nicht nur diverse Manuskripte, Typoskripte und Entwürfe literarischer Texte jeglicher Gattung, sondern eben auch alles andere, was bei Verlagsarbeit im vordigitalen Zeitalter anfällt. Dazu zählen neben diversen Geschäftsbriefen, Rechnungen, Lieferscheinen, Honorarnoten und Datenbanklisten auch etliche Entwürfe von gangan-Publikationen in Form von Klebeumbrüchen, Druckfilmen, Korrekturfahnen, Skizzen und Manuskriptbögen sowie Presseaussendungen, Veranstaltungseinladungen und Buchbroschüren – um nur einen kleinen Ausschnitt aus der Fülle und Diversität dieser Sammlung zu nennen.
Zu diesem Potpourri zählt auch die Registrierungsbestätigung des österreichischen Patentamts für die Wortbildmarke gangan. Diese Eintragung in das Markenregister steht sinnbildlich für die Art, wie sich der gangan-Verlag zu präsentieren versuchte. Schon seit den Anfängen legte Gründer Horst Gerald Ganglbauer großen Wert darauf, bei den von ihm herausgegebenen und verlegten Büchern die Bezeichnung gangan hervorzuheben. Das zeigt sich beispielsweise in einem frühen Werbeentwurf aus der Sammlung am Franz-Nabl-Institut, in dem es heißt: „Ihr könnt’s mich alle gleich im Buchladen kaufen und lesen, denn ich bin ein gangan-Buch. Vom jungen Verlag für Gegenwartsliteratur.“ Ebenso eindrucksvolle Beispiele hierfür bilden das jährlich von 1984 bis 1989 erschienene gangan Jahrbuch – ab 1988 unter dem Namen ganganbuch veröffentlicht – sowie das gangan-viertel, eine quartalsweise publizierte Zeitschrift über Literatur aus dem Jahr 1988, wobei bereits 1987 eine Nullnummer herausgekommen war. Horst Gerald Ganglbauer setzte also alles daran, gangan nicht nur als Verlag, sondern als eigene Marke zu etablieren.
Die Anfänge der Marke gangan finden sich schon lange vor der Patentanmeldung. Auch das Motiv der Wortbildmarke, die am 17. März 1986 angemeldet und wegen einer dreimonatigen Übergangsfrist erst ab dem 18. Juni markenrechtlich geschützt wurde, war schon länger in Verwendung. Bereits bald nach der Gründung von gangan im Jahr 1983 zierte der Serifenschriftzug mit seinen verwackelten Konturen und den beiden auffälligen Gs alle offiziellen Dokumente. Damals gab es allerdings noch keinen Verlag, sondern lediglich das projekt gangan. Das Gewerbe des Buch-, Kunst- und Musikalienverlags war nämlich ein reglementiertes Gewerbe, dessen Anmeldung einen Befähigungsnachweis erforderte. Seit einer Verordnung vom 30. September 1994 handelt es sich dabei allerdings um ein freies Gewerbe, weshalb heute keine spezifischen Voraussetzungen mehr erfüllt werden müssen. Erst nach einer Anfrage Horst Gerald Ganglbauers um „Nachsicht des Befähigungsnachweises“ beim Gewerbeamt der Stadt Graz im Februar 1985 konnte der Verlag tatsächlich starten. Als Begründung diente einerseits sein Studium an der Universität Graz (Medienkundlicher Lehrgang) sowie der Verweis auf seine redaktionellen Tätigkeiten. So war Ganglbauer bereits vor der Entstehung des projekt gangan von 1982 bis 1983 Mitherausgeber der Literaturzeitschrift perspektive (Hefte für junge, zeitgenössische Literatur). Außerdem waren bereits das erste Jahrbuch sowie zwei Gedichtbände von Peter Pessl und Petra Ganglbauer noch vor der offiziellen Verlagsgründung erschienen. Die Autorin Petra Ganglbauer war zu dieser Zeit nicht nur die Ehefrau Horst Geralds, sondern auch Mitbegründerin und Mitarbeiterin des gangan Verlags.
Allerdings bildet ein Schriftzug bzw. ein Logo alleine noch keine Marke, diese entsteht erst in Kombination mit den Eigenschaften und Merkmalen, die diese vermitteln soll bzw. die mit ihren Produkten in Verbindung gebracht werden. Bei gangan ist das bereits im Namen zu erkennen, es handelt sich hierbei um keine bloße Alliteration mit den ersten drei Buchstaben des Nachnamens des Gründer-Ehepaars, sondern die Bezeichnung ist auf das gleichnamige althochdeutsche Wort zurückzuführen und bedeutet so viel wie gehen, bewegen, entwickeln, verändern. Und genau dafür wollte die Marke stehen. gangan bezeichnete sich bereits am Anfang seiner Entstehung als „die neue, die andere verlagsidee“. Der Verlag widmete sich stets der „jungen Literatur“ und bot auch bis dato unbekannten Autor:innen eine Publikationsmöglichkeit. So fanden sich gerade in den Jahrbüchern etliche literarische Erstveröffentlichungen und Texte von Debütant:innen. Vor allem die Reihe gedichte förderte Jungautor:innen, die meist unkonventionelle und neue Formen der Lyrik erprobten. So erschienen hier bereits in den 1980er-Jahren Gedichtbände von u.a. Peter Köck, Peter Pessl, Mike Markart und Petra Ganglbauer. gangan wollte allerdings nicht nur „neue bücher verlegen, bei denen wirklich drinsteht, was die autoren wollen, […] sondern auch aktionen setzen, sie unters volk zu bringen“, wie aus einem sich in der Sammlung befindenden Werbesujet hervorgeht. Zu diesen Veranstaltungen zählten diverse Autor:innenlesungen, die in der Thalia und dem Kulturhauskeller in Graz stattfanden, und der wöchentliche gangan jour fixe. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang auch die straßenliteraturtage, das von 1982 bis 1986 jährlich in Graz veranstaltete Festival junger Literatur. Die Zuseher:innen und Passant:innen konnten hierbei literarische Texte nicht nur direkt von den Autor:innen vorgetragen bekommen, sondern auch im Rahmen einer Kunstinstallation im öffentlichen Raum selbst konsumieren: In einem überlebensgroßen Buch mitten am Grazer Hauptplatz – in diversen Zeitungen damals als „lyrische Litfaßsäule“ bezeichnet – wurde ein Gedicht von Petra Ganglbauer präsentiert.
Nicht nur der Verlag steht für Bewegung, auch das Leben des Gründers Horst Gerald Ganglbauer selbst ist davon geprägt. Bereits im Jahr 1974 im Alter von nur 16 Jahren unternahm er seine erste große Reise. Bei dieser „Tour d‘Europe“ reiste er ein Sommermonat lang mit dem Zug (Interrail) quer durch Europa. Diese Erfahrung legte den Grundstein für die späteren Reisen auf mehreren Kontinenten. Dass dieser private Bewegungsdrang mit dem des Verlags immer in Verbindung stand, wird durch gangan books australia deutlich. Nachdem bereits 1987 mit dem Umzug des Verlegers ein Büro in Wien eröffnet wurde, gründete Ganglbauer nach einer weiteren Übersiedelung 1989 in Sydney den australischen Ableger des Verlags. Der Fokus lag hierbei auf Übersetzungen von Texten zeitgenössischer australischer Autor:innen, deren Werke erstmals der deutschsprachigen Literaturwelt nähergebracht werden sollten – auch in zweisprachigen Ausgaben. Die Aktivitäten des Verlags reichten sogar bis in die USA, wo es in San Francisco zu einer kurzzeitigen Bürogründung kam. Einen Grund für die kontinuierlichen Weiterentwicklungen bildeten auch diverse Rückschläge in Form von niedrigen Verkaufszahlen, was des Öfteren zu finanziellen Notlagen führte und jeweils die Umzüge von Herausgeber und Verlag veranlasste. Die 2006 erhaltene Diagnose einer Parkinsonerkrankung bei Ganglbauer stellte ebenfalls einen Einschnitt für gangan dar. An die jeweilige Situation adaptierte Konzepte und neue Ideen ließen den Verlag allerdings jeweils gestärkt und neu positioniert aus den (finanziellen) Herausforderungen hervorgehen. So existierte bereits ab 1996 die erste gangan-Website, also zu einer Zeit, als das Internet noch in seinen Kinderschuhen steckte. Auch das parallel dazu veröffentlichte Literatur- und Kulturmagazin Gangway – woraus sich später das GANGAN Lit-Mag entwickelte –, das sowohl als online-Zeitschrift als auch im Printformat erschien, wies einiges an Pioniercharakter auf. Trotz aller Beweglichkeit innerhalb des Verlags hielt sich immer der selbsternannte Leitspruch „Die Großverlage produzieren Maschinensemmeln, wir Kleinverleger machen das Feingebäck“.
Änderungen gab es über die Jahre aber auch im Design. Der Schriftzug aus der Registrierungsbestätigung des Patentamts wurde mit der Zeit etwas adaptiert, bis er 2014 einem gänzlich neuen und dem Zeitgeist angepassten Logo wich. Dennoch ziert das ursprüngliche Markenzeichen den Großteil der (in Druckform) publizierten Verlagswerke. Dabei achtete man auf den Wiedererkennungswert, der zur Markenbildung beitragen sollte. So liest man in „Zwischen Subversion und Subvention. Kulturinitiativen Österreich“ (Hrsg. v. Beate Scholz in der Edition Umbruch, 1987): „Ausstattung und Gestaltung der Bücher mit klarem Erscheinungsbild (‚gangan-Riß‘) sind für den Verlag charakteristisch.“ Diese Corporate Identity spiegelte sich nicht nur in den Reihen gedichte, ganGAROO oder gangART wider, deren Namen und Schriftart an das Markenlogo angelehnt sind, sondern findet sich auch in den anderen Projekten Horst Gerald Ganglbauers, wie beispielsweise bei go-marketing (Marketing und Werbung), dessen Schriftzug ebenfalls das markante „gangan-G“ ziert.
Die Bewegung, Entwicklung und Veränderung, die gangan erreichen wollte, zeigte sich also über die Jahre hinweg auch immer innerhalb des Verlags selbst. Dennoch ist die Marke gangan stets ihren Idealen treu geblieben und versuchte über mehrere Jahrzehnte hinweg, neue Impulse in der Literatur zu fördern und auch zu fordern. In einem Entwurf zu den Jahrbüchern, der sich am Franz-Nabl-Institut befindet, lässt sich die Vision von gangan finden. Darin wird eine utopische Welt namens „Ganganien“ beschrieben, die sehr gut widerspiegelt und zusammenfasst, wofür die Marke steht: „Ganganien ist das Land, in dem das Feuilleton der Tagespresse mehr Leser[:innen] hat als die Sportseiten, die Theater und Galerien mehr Besucher[:innen] als die Fußballplätze, die Leute mit den Künstler[:inne]n in den zahlreichen Cafés anregende Gespräche führen und literarische Bücher höhere Auflagen erreichen als 3-Groschen-Romane. Ein Land also, in dem [es sich] zu leben lohnt, da die ständige Auseinandersetzung mit Kultur den Alltag vielfältig koloriert und Menschen glücklich macht…“
Fabio Perndorfer