© Cordula Simon
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Cordula Simon: Pornelle

in Writers' Blog

Die Nachbarn sind ruhig, so ruhig, dass man lesen kann. In der Welt des Buches findet sich nicht nur mäßig erotischer Schund a lá Fifty shades of Grey, sondern auch ganz andere Kaliber von Schund und nicht unbedingt Schund. Nachdem sich die Welt mit dem schrecklich geschriebenen Buch (hat das irgendjemand zu Ende gelesen?) befasst hat, wird es Zeit über andere Greys zu sprechen. Sasha Grey zum Beispiel. Legen wir also die Dunhamsche Befindlichkeitsprosa und die „Empfehlungen“ von Bestsellerlisten gleichermaßen beiseite:
Sasha Grey ist Pornodarstellerin und unterscheidet sich von dem, was man sich gemeinhin unter einer Pornodarstellerin vorstellt: In Interviews erweckt sie nicht den Eindruck eines naiven Mädchens, das eben in die Pornobranche gerutscht ist. Am Anfang ihrer Karriere stand ein Bewerbungsschreiben, in dem sie sich bereit erklärt zu „einer Ware zu werden“. Eine Ware, die sexuelle Fantasien befriedigt nämlich. Daraufhin drehte sie Pornos. Vor allem bekam sie unzählige Preise für ihre Performances. Über die Pornoindustrie sagt sie, dass es eine Möglichkeit war, Sexualität in einem sicheren Umfeld zu erforschen zu erforschen. Sicheres Umfeld. Ihre Worte. Sie zeigt also ein ganz anderes Bild, als wir es von der Branche gewohnt sind und weit von dem entfernt, was Menschen außerhalb der Branche glauben. Nicht jedes Klischee trifft auf jeden zu.
Ein wesentlicher Punkt ihrer Karriere war immer wieder auf eine kreative Komponente zu pochen – Sie war nicht nur vor der Kamera tätig. Nebenher versucht sie es mit Schauspielerei und hat Workshops zum kreativen Schreiben belegt.
Vorneweg sollte man erwähnen, dass sie mit der Sprache nicht so virtuos umgehen kann, wie mit ihren Körperöffnungen, dennoch ist ihr Roman Die Juliette Society immer noch von höherer literarischer Qualität als die Fifty shades. Vom Duktus her schreibt sie, wie sie in Interviews spricht. Inhaltlich sind wir konfrontiert mit einer Protagonistin, die beim Erforschen der eigenen Sexualität auf eine erotische Gesellschaft stößt. Kernpunkt des Buches ist die Frage, ob man Objekt ist, wenn man bewusst wählt, Objekt zu sein und damit eine Entscheidung als Subjekt zu treffen. Eine Figur kann acht Männer gleichzeitig befriedigen und dennoch dominieren, da es sich um bewusste Unterwerfung handelt.
So weit, so theoretisch. Zudem kann man an dem Buch auch erkennen, dass Sasha Grey eine durchaus gebildete Person ist. Referenzen und Verweise führen nicht ins Leere. Wird im Seminar der Hauptfigur ein Film besprochen, kann man sicher sein, darin Parallelen zur Handlung zu finden. Ich würde sogar sagen, dass die Juliette Society ein wesentlich intellektuelleres Buch ist, als Lena Dunhams albernes Machwerk.
All das gibt es nur, weil Grey sich zur Mission gemacht hat, Frauen zu zeigen, dass sie stolz auf ihre Sexualität sein sollten.

Simon_bearbCordula Simon, Schriftstellerin, geb. 1986 in Graz, studierte deutsche und russische Philologie in Graz und Odessa. Koordinatorin der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz und Mitglied der Literaturgruppe „plattform“. Zuletzt veröffentlicht: „Ostrov Mogila. Roman“ (Picus, 2013).