Pornografie ist groß! Zumindest bin ich ziemlich sicher, dass Mia Khalifa das so sieht. Mia Khalifa ist berühmt. Nicht nur innerhalb der Pornobranche für ihre Leistung, sondern auch außerhalb. Die gebürtige Libanesin dreht nämlich Filmchen, in denen sie auch mit Hidschab auftritt. Da könnte man nun sagen, dass das nichts Besonderes ist, schließlich ist es (ausnahmsweise) schwer Freud zu widersprechen, der meinte, dass es möglich ist auf alles Denkbare einen Fetisch zu entwickeln.
Das Spezielle daran ist, dass Khalifa auch aus ihrem Herkunftsland, dass sie verließ als sie elf war nun mit grotesker Aufmerksamkeit gesegnet ist: Sie bekommt Todesdrohungen. Auch solche, in denen sich jemand die Mühe gemacht hat, ihr Gesicht in Exekutionen zu photoshoppen. Verwunderlich ist das für jemanden, der den Libanon nicht besonders gut kennt auch deshalb, da das Land als eines der liberalsten der Region gilt. Auch ihre Tätowierungen wurden kritisiert, da die arabischen Schriftzüge eine weitere politische Komponente hinzufügen.
Mia Khalifa reagiert darauf noch relativ lässig: Sie fragt, ob das Land keine anderen Probleme hat und immerhin habe man ihr „nur“ gedroht den Kopf abzuschneiden, glücklicherweise nicht die Brüste, denn die seien ja schließlich kostspielig gewesen.
Trotz der humorvollen Reaktion ist Mia Khalifa bewusst, dass Pornografie niemals unpolitisch ist und dass auch sie ein Recht auf eine Meinung zu Gesellschaft und Politik im Libanon hat. Für Khalifa geht es auch um Frauenrechte und letzten Endes geht es, wie so oft in der Pornografie, auch um Freiheit. In plakativer Form gibt sie Anlass dazu sexuelle Selbstbestimmung wieder und wieder zu diskutieren, ebenso wie die Grenzüberschreitung zwischen Säkularem und Religiösem.
Ein Künstlerduo namens Timeflies widmete Mia Khalifa in Folge der Drohungen sogar einen Song, auch um die Entscheidung sich für diese Freiheiten stark zu machen zu unterstützen. Auch wenn die Kritik aus der Heimat die Darstellerin laut Interviews traurig stimmt. Aber gerade das scheint wohl erst recht ein Grund zu sein, weiter zu machen und die gewonnene Aufmerksamkeit zu nutzen, denn mittlerweile ist die Darstellerin auch außerhalb der Branche vielen ein Begriff und sie zeigt damit, dass ihre Stimme nicht nur zum Stöhnen taugt.
Cordula Simon, Schriftstellerin, geb. 1986 in Graz, studierte deutsche und russische Philologie in Graz und Odessa. Koordinatorin der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz und Mitglied der Literaturgruppe „plattform“. Zuletzt veröffentlicht: „Ostrov Mogila. Roman“ (Picus, 2013).