Wilhelm Hengstler: Der Konstruktionskünstler

in Dossier: Wolfgang Bauer

Eine im üblichen literaturwissenschaftlichen Zugang stets vernachlässigte Sichtweise offeriert Wilhelm Hengster in seinem bereits 2001 im Wiener Radiokulturhaus gehaltenen Vortrag Der Konstruktionskünstler. Hengstler unterscheidet in bezug auf die Bauers Dramen zugrunde gelegten Realitätsdefinitionen vier Phasen mit unterschiedlichen Akzentuierungen und Entwicklungen: von den dem Theater des Absurden verpflichteten Imaginationskonstruktionen der „Mikrodramen“ über die hyperrealistischen Erfolgsstücke und den dann zunehmenden Einfluss von Traumlogiken und Paranoiazuständen bis zu den ausschließlich von einem nahezu monadischen Subjekt konstruierten Bewusstseinswelten der Spätphase, die als anti-mimetische Versuchsanordnungen in Zeit und Raum erkenntnistheoretisch-philosophische Positionen des radikalen Konstruktivismus (von Foerster, Maturana) in die Theater-Sphäre übersetzen. Die Überzeugung Hengstlers, dass die damalige Inszenierungspraxis mit Bauers Entwicklung in Richtung einer naturwissenschaftlich fundierten „dramatischen Weltformel“ nicht Schritt zu halten vermochte, lässt sich zudem als aktueller Fingerzeig auffassen.