Nachtwürstelstand, Lendplatz ©   Stefan Pajman, ballguide/Kleine Zeitung
Nachtwürstelstand, Lendplatz © Stefan Pajman, ballguide/Kleine Zeitung

Ferdinand Schmalz: die nachtwürstlerin

in Fünfzehn Jahre Literaturhaus Graz

und weitet sich die haut, die braun gebrannte, dass eine blase gelb gefüllt mit käse sich aus ihr, der wurst, rausbeult. spannt sich nur dünn der darm mehr übers heiße magma, das drunter rumort. aus tiefen kammern in der wurst quillt nun der käse in die blase rein, bis sie, die haut, ihn nicht mehr fassen kann. platzt auf die dünne oberflächenschicht. ergießt nun sich das innere raus auf den grill um dort nun brodelnd bräunlich zu verkrusten. zähflüssig wie der käsemagmastrom spülts draußen vor dem würstelstand die fortgehleichen an, die hier im neonlicht, das aus der bude fällt, gestrandet liegen bleiben, das letzte bier hier finden, oder nicht. dort an der stelle, wo die keplerstraße ihn, den lendplatz, in zwei hälften schneidet, dem feuerwehrgebäude gegenüber, steht auf zwei rädern unscheinbar der weiße kasten, der doch zum katastrophenschutz gleich viel beiträgt wie seine nachbarn vis-à-vis. denn hat so manches nächtlich ausgetragne wortgefecht, das mit der würstlerin hier ausgefochten, das schlimmste nochmal abgewandt. und auch jetzt, als gerade sie, die chefin, in der bude drin die bosna scharf kredenzt, steht draußen da am stehtisch einer dieser, wie sie es nennt, schwierigen patienten. das sakko kleinkariert, krawattenknoten schon gelockert, genießt allwöchentlich der reinhard hier, was er aus mangel bessrer kenntnis freiheit nennt. und weil er weiß, dass er ab morgen wieder leiser tönen muss, das mag die seinige nicht gern, wenn er das maul aufreißt zuhaus, drum mault er umso lauter jetzt hinaus da auf den lendplatz raus. beißt nochmal runter von der bosna, damit die schärfe ihm den nachgeschmack vertreibt, der ihm von diesem kleinen zwischenfall am südtirolerplatz geblieben ist. und kauend sprichts aus ihm heraus, dass man so eine bosna, dass man die in ganz wien nicht kriegt. „die kriegt man einfach nicht! weil man in wien zwar eine würstelstandkultur, nur leider keine wurstkultur mehr kennt. da muss man schon nach graz, wenn man so eine bosna, eine mit liebe zubereitete, sich nächtens in den leib reinessen will.“ dass graz nunmal die wurstkulturhauptstadt in österreich. dass man das erst am nächsten tag oft merkt, dass es sich dann erst zeigt, was man an qualitätslosigkeiten in andren städten in sich reingewurstet hat. und kippt nun bisschen von dem dosenbier in sich hinein, und gießt mit dem schwall bier sich jetzt ein einfall da in ihn, den reinhard, rein. dass man woanders sich sagt vielleicht, dass alles auch ein ende nur die wurst hat zwei. nur hier in graz, hat sie, die wurst, zwei anfänge. und über diese rauschbedingte großerkenntnis sehr erfreut, blickt er zustimmung suchend den umstehenden hinein in die gesichter. nur dass jetzt einer, von den an der theke wartenden, dem schon die längste zeit reinhards erguss genervt, ihn höflich doch bestimmt bittet, kurz den suppenschlitz zu schließen, weil dieser schwachsinn einem noch den appetit verderbe. und merkt man an den halsschlagadern von dem reinhard, die im bruchteil eines augenblicks anschwellen, als würde drunter heißer käse auch pulsieren, dass es gleich krachen würde, wenn nicht jetzt sie, die würstlerin, die alles schon so kommen sah, mit einem kurzen „reinhard noch ein reininghaus?“ den brand noch vor dem ausbruch löscht. und kann so, ohne blaulicht und sirenen zu verschwenden, alles friedlich, rauschgebremst nun wieder seiner wege gehen.

Beitrag aus: Klaus Kastberger (Hrg): Graz. Mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern an besondere Orte der Stadt (Edition Kleine Zeitung 2018)
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