Die Corona-Tagebücher, Teil 7 („Von Klopapier redet niemand mehr“)

in Die Corona-Tagebücher/Die Corona-Tagebücher. Erste Welle

Eine Auswahl aus den Einträgen von:
Helena Adler, Bettina Balàka, Birgit Birnbacher, Melitta Breznik, Ann Cotten, Nava Ebrahimi, Valerie Fritsch, Monika Helfer, Lisz Hirn, Lucia Leidenfrost, Christian Mähr, Robert Pfaller,  Benjamin Quaderer, Julya Rabinowich, Angelika Reitzer, Kathrin Röggla, Thomas Stangl, Michael Stavarič, Daniel Wisser.

[PDF der Gesamtexte]

Melitta Breznik, 18.4.2020
Gestern im Laden war ich erstaunt über meine kräftige Stimme, ihre tiefe Tonlage und auch das Bestimmte in ihr. Ich spreche in diesen Tagen des Rückzugs selten mit jemandem und kann mich manchmal dabei ertappen, dass ich mein Tun kommentiere, mit mir selbst rede und bin belustigt über den Gedanken, dass ich jetzt endgültig alt werde. Kleine Kinder sprechen beim einsamen Spiel mit sich selbst und in ganz verstohlenen Momenten fühle ich mich in dieser „geschenkten Zeit“, wenn ich dann unten am Inn mit aufgekrempelten Hosen durch das eiskalte Wasser wate und Steine ans andere Ufer werfe, wie das kleine Mädchen von damals, mit den langen blonden Zöpfen. Mutter wird diesmal nicht schimpfen, die dreckigen Hosen wasche ich selbst, aber vielleicht lächelt sie irgendwo, wenn sie mir zusieht.

Lisz Hirn, 20.4.2020
Schädelweh. Meinen Alltag charakterisiert der Kampf gegen/mit Skype, Tel, Zoom, Mails, Spams, Tweets. Mir galoppiert derzeit jedes Wort, jeder Gedanke, jede Minute für mich davon, und so bleibt mir nur die Buchrücken der Schmöker zu streicheln, die ich schon gelesen haben wollte.

Nava Ebrahimi, 21.4.2020
7.20 Uhr: Halb wach, halb schlafend denke ich an den Kaffee, der in der Tasse erkaltet. Neben meinem Kopfkissen liegt Erinnerungen eines Mädchens, das ich gestern Abend zu Ende gelesen habe. 7.30 Uhr: Der Kaffee ist lauwarm. Wie endete das Buch gleich? Ich lese nach: „Den Abgrund erkunden zwischen der ungeheuren Wirklichkeit eines Geschehens in dem Moment, in dem es geschieht, und der merkwürdigen Unwirklichkeit, die dieses Geschehen Jahre später einnimmt.“

Ann Cotten, 21.4.2020
Zum ersten Mal seit wieder in Wien Polizeikontakt. Fast war ich von einer Art neugieriger Vorfreude erfüllt, als die Streife neben mir verlangsamte, schließlich hatte ich ein reines Gewissen, nichts getrunken, cruiste gemächlich die Mariahilferstraße runter. Licht ging auch. Dass meine Klingel mit einem Stück Lenkerbandage am Dauerklingeln gehindert wird, kann ich erklären. Aber sie behaupteten, ich hätte gerade eine rote Ampel überfahren. War mir nicht bewusst. Hinten, die Neubaugasse. Da ist Baustelle! Die sperrt die ganze Straße ab! Da ist auch ein Bauzaun, und das Pflaster ist ausgerissen. Gab ich verblüfft zurück.

Lucia Leidenfrost, 21.4.2020
Jetzt kommt er, der Lagerkoller. Mein Vater fährt mit dem Zug in die Stadt, irgendetwas muss er dringend persönlich erledigen, meine Mutter will daraufhin ein befreundetes Paar zum Kaffee zu sich nach Hause einladen. Das eine schreibt mir aufgebracht meine Mutter, das andere erfahre ich von meinem Vater auf der Mailbox. Ich sitze in Mannheim und überlege mir, meine Familie vor Ort dazu zu schalten und entscheide mich dann aus zwei Gründen dagegen: 1. Sie sind groß genug (ja, ich wähle diese Formulierung und nicht erwachsen!) und 2. Früher oder später werden wir, wenn man den Virologen glaubt, eh alle Covid-19 bekommen. Unruhig bleibe ich trotzdem den ganzen Tag, obwohl sich eine Ansteckung ja erst in sechs bis vierzehn Tagen zeigen würde.

Thomas Stangl, 21.4.2020
Kaum entspannt sich die Lage, bröckelt meine Souveränität und ich fühle mich kranker, normaler. Dem Alltag ausgelieferter. Arbeit. Konzentration (einen Raum dafür finden). Und kein Kino; keine Bilder im Dunkeln, aus denen andere, fremdere Bilder entstehen. Immer der Monitor und der eigene Körper, ein Innenraum. Vor dem Monitor und zwischen Schlaf und Wachen im Bett. Dieser Körper, in dem sich unsichtbar irgendwelche fremden Lebensformen tummeln; ihre Kämpfe und Intrigen führen, von denen ich in meinem Bewusstsein nur ein vages Echo wahrnehme. (Zum Beispiel: ein Kribbeln. Dann stechender Schmerz. Atemnot. Aber nein, nicht ich, nicht jetzt.)

Ann Cotten, 21.4.2020
Manche Leute ändern aufgrund persönlicher Erfahrungen ihre Meinung und schreiben, wenn sie als Schriftstellerin arbeiten, Essays, die von ihren eigenen Erlebnissen ausgehend verallgemeinernde Thesen ausformulieren. Ich will nicht so jemand sein. Aber es fällt mir auf, dass es einen gewissen Witz haben könnte, wenn ich das Geld für die doofe Strafe mit der Ausschlachtung der Anekdote verdienen kann.

Daniel Wisser, 22.4.2020
Die Kurvendiskussionen der acht Millionen Virologen sind zumindest aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Von Klopapier redet niemand mehr. Die Zeitungen schreiben von kollektiver Ermüdung: Endlich machen sie sich selbst zum Thema. Anstatt aber uns zu erklären, wie wir uns unterhalten sollen, könnten doch die Medien einmal versuchen, etwas Interessantes zu berichten. Und in dem Moment, wo ich das schreibe, trudelt ein Mail ein mit dem Betreff: office discount Klopapier, jetzt unschlagbar guenstig, Frau Wisser.

Lucia Leidenfrost, 22.4.2020
Ich lese, was die anderen in ihrem Tagebuch schreiben. So vieles davon erkenne ich irgendwie wieder und trotzdem schreiben wir nicht von den gleichen Dingen.

Thomas Stangl, 23.4.2020
Bei einem öffentlichen Tagebuch immer die Frage: was würde ich in einem privaten (ehrlicheren oder nachlässigeren?) Tagebuch schreiben. Was würde ich anders oder gar nicht schreiben. Und was würde ich nicht einmal in einem privaten Tagebuch schreiben?

Birgit Birnbacher, 23.4.2020
es ist immer noch die zeit der polizeilichen verwarnungen und denunziationen: kinder spielen am rasen fußball. fußbälle krachen gegen wände, ab und zu ist ein fenster dabei. die polizei kommt. drei männer, dunkle uniform, dunkle maske, gehen breitbeinig über den rasen, auf die kinder zu. ein paar von den kindern laufen davon, auf mich zu, an mir vorbei. die polizisten ermahnen mit verschränkten armen vor der brust. oben hinter den fenstern rührt sich nichts, kein vorhang, keinen millimeter.

Robert Pfaller, 23.4.2020
Ich muss an Alfred Hitchcocks Witz vom McGuffin denken. Jemand fragt: „Was haben Sie da für ein merkwürdiges Ding?“ – Die andere Person antwortet: „Einen McGuffin.“ – „Was, bitte, ist ein McGuffin?“ – „Ein Gerät, mit dem man im schottischen Hochmoor Tiger fängt.“ – „Aber im schottischen Hochmoor gibt es doch gar keine Tiger!“ – „Da sehen Sie, wie gut der McGuffin funktioniert!“ Wenn die Notmaßnahmen eines Tages zurückgefahren werden, dann nicht etwa deshalb, weil sich herausgestellt hat, dass die zunächst angenommenen Gefahren nicht so schlimm sind oder gar nicht existieren, sondern sicherlich deshalb, weil die Notmaßnahmen so gut gewirkt haben werden. Unsere Beschränkungen werden unser McGuffin sein.

Benjamin Quaderer, 23.4.2020
Ich fahre zum ersten Mal seit 6 Wochen Bus. Schon an der Bushaltestelle zu stehen, fühlt sich falsch an. Dazu kommen die Pflanzen, Efeu, Fuchsien, Farn – wir kommen aus einem Gartencenter, das neue Berghain, habe ich beim Durchgehen gedacht –, in meinen Händen. Eine Frau schaut mich an. Ob ich Pflanzen gekauft habe? Ja, sage ich. Ein Bus hält, die Frau steigt ein und bleibt in der Tür stehen. Ob ich genügend Erde hätte? Ja, sage ich, ich denke schon. Die Bustüren schließen sich. Durch die Tür kann ich sehen, wie die Frau mir eine weitere Frage stellt, immer noch lächelnd, ungerührt, dass sich der Bus bereits in Bewegung gesetzt hat. Sie spricht weiter und entfernt sich, dann kommt mein Bus und ich fahre in die andere Richtung. Die Fahrt ist unspektakulär. Nur die Plastikplane, das Quarantänezelt, das man um die Fahrerkabine herum aufgebaut hat, ist anders als sonst. Und dass die Leute mehr Abstand halten. Jede zweite Sitzreihe ist frei. Und die Handschuhe. Was rede ich für einen Blödsinn. Die Masken. Es ist gar nichts wie sonst. Irgendwann, heißt es in Clemens Setz‘ Indigo, gewöhnt man sich gegen alles.

Lisz Hirn, 23.4.2020
Starrein. Im Schloss, in dem sich Schicksale kreuzen, warten einige seit endlos langen Wochen auf das Erscheinen der Antikörperfee, dass sie mit ihrer Hilfe die Virenmonster besiegen und glücklich bis zur zweiten Welle leben können. Ende?

Angelika Reitzer, 24.4.2020
Die Diktatur der einen Nachricht, die aus Zahlen, Einschränkungen, Aussichtslosigkeit besteht, muss wieder eingedämmt werden. Wir können nicht länger so tun, als gäbe es nichts anderes.
Ich habe den ganzen Nachmittag in der Buchhandlung gearbeitet. Als ich eintreffe, fällt es mir schwer, liebe Bekannte vor der Tür angemessen zu begrüßen. Christian sagt: „Kann man ja auch nicht.“ Nach einer Weile wird es weniger mit dem Fremdeln, aber die Selbstverständlichkeit ist angeknackst, wir müssen es wieder lernen oder üben, einander zu treffen, egal ob zufällig oder absichtlich. Mit der Kundschaft ist es einfacher, die Rituale sind vorgegeben, auch wenn ich mich jedes Mal dafür schäme, wenn ich zu Paaren oder einem Mutter-Sohn-Gespann sage, sie dürfen nur einzeln hereinkommen, da das Geschäft so klein ist. Dann biete ich Espresso an, den aber alle höflich ablehnen, nur eine Frau will Wasser. Ich bringe es ihr vor die Tür, während sie wartet, dann sagt sie, sie habe nichts von der Maskenpflicht gewusst, bleibt also draußen und liest den halben Tag in Büchern aus der Ramschkiste. Die Maske stundenlang aufzuhaben, ist unangenehm, aber ich bin sehr froh über meinen Dienst. Ich habe in den vier Stunden mit so vielen Menschen gesprochen wie schon lange nicht mehr, und fast nur über Literatur.

Christian Mähr, 25.4.2020
Völlig entsetzt bei der Lektüre der Landeszeitung. Was schrieb ich gestern? Vernunft als Landesbrauch? Natürlich nur im statistischen Mittel. Heute bekennen Zeitgenossen schwarz auf weiß, was sie „nach der Krise“ alles wieder machen werden. Partys wurden vermisst, jemand will „ein großes Grillfest schmeißen“ und alle Freunde dazu einladen. Und reisen will man auch wieder. Ja, liebe Naturschützer, das Corona-Virus auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten setzen – müsst ihr nicht! Keine Angst, viele Menschen bemühen sich redlich um diesen Organismus und schaffen viele neue Biotope. – In acht Monaten ist Weihnachten. Wie es aussieht, werden wir dann wieder Mundschutz brauchen. Aber vielleicht genügt dann ja ein Schal.

Birgit Birnbacher, 26.4.2020
die nachbarn treffen sich jetzt heimlich am hinteren eck des hauses, weil es am vorderen eine missstimmung wegen ihrer besuche gegeben hat. die besucher dürfen jetzt auch bei den nachbarn ihre schuhe anbehalten. wenn am hinteren eck laut gelacht wird, kann vorne zurecht um den frieden gefürchtet werden.

Bettina Balàka, 26.4.2020
In neun Monaten werden wohl ganz viele Babys geboren werden, hieß es zu Beginn des Lockdowns. Damit wollte man natürlich auf charmante Art und Weise sagen, dass nun alle sehr viel Sex haben würden. Was aber hieß das implizit? Alle leben in monogamen heterosexuellen Beziehungen, alle Frauen sind im gebärfähigen Alter. Weiters müssen diese Modellpaare kinderlos sein, denn wahrscheinlich das letzte, was passiert, wenn die Kinder den ganzen Tag zu Hause sind, ist, dass die Eltern mehr Sex haben. Bisher haben sie offenbar verhütet, aber nun denken sie sich: Ich bin auf Kurzarbeit und vielleicht bald arbeitslos und du in einem systemrelevanten Beruf und erhöhter Ansteckungsgefahr ausgesetzt – lass uns ein Baby machen! Nein, die Modellpaare arbeiten wohl auch in Berufen, wo der Lockdown mühelos in eine Art Urlaub umgesetzt werden kann. […] Das Virus sei konservativ, heißt es. Es zwingt zu Treue, Monogamie, Sexverzicht. Es fördert ein Leben, wie es die katholische Kirche vorsieht oder die Hollywoodschnulze.

Kathrin Röggla, 26.4.2020, die Woche des Zoomens
„Wie ihr seht, spreche ich aus dem Zustand des völligen Absorbiertseins. Alles dreht sich um das Virus. Um die Lage. Die Situation. Ich bin immer dabei. Lese die Newsfeeds, in der Taktung der Liveticker. Im Herzen des Ausnahmezustands, wie ich meine, vermutlich am Rand, denn der Ausnahmezustand hat nur Ränder. Das ist zumindest das, was literarisch zu erkennen ist.“
„Hallo, hören Sie mich? Können Sie mich hören? Mist, die Leitung ist hier suboptimal, andauernd friert mein Bild fest.“ „Jetzt waren Sie arg verlangsamt, ich konnte Sie kaum verstehen.“ „Ja, rücken Sie nach rechts, dann kann man Sie besser erkennen, dann fällt der Schatten nicht so ungünstig – ja, so ist‘s gut.“

Valerie Fritsch, 26.4.2020
Es geschehen Dinge, die zu privat scheinen für Tagebücher, die öffentlich sind. An jeder großen Welt hängt eine kleine, die man für sich behält, behalten muss, weil sie einem nicht allein gehört, voller Wirklichkeiten und voller Zerbrechlichkeiten ist, die es zu beschützen gilt, deren Schmerz und Tod und Einzelheit man behütet, um sie vor der uneingeordneten Verlassenheit des Präsentiertellers zu bewahren. Man trägt die Geschichten nah bei sich, verschweigt sie, und hat nichts, was man stattdessen sagen könnte.

Monika Helfer, letzte Aprilwoche
Ein Nachbar, der nie Sport betrieben hat, versucht jetzt Runden zu drehen, er hat sich dafür übers Internet bunte Sportkleidung gekauft, aber kaum war er eine Woche unterwegs, ist es ihm verleidet. Keine Ansprache, das ist sein Problem. Würde wenigstens einer ihn anhalten und sich erkundigen, wie es so läuft (im übertragenen Sinn). Bei meinem Bergspaziergang begegnete mir eine türkische Frau, die, als sie mich sah, ins Gebüsch lief und sich den Schal an den Mund presste. Ich hatte nicht vor, sie zu belästigen. Dann die Masken, die zwischen Blumen liegen, obwohl ein Papierkorb ganz in der Nähe aufgestellt ist. Der Bäcker bedankt sich bei jeder Kundschaft, dass sie ihm die Treue hält. Blumenerde ist rar. Im Garten hat die Trockenheit Schlitze geöffnet, viel Wasser bräuchten Wiesen und Felder.

Helena Adler, 27.4.2020
Ich bin ein Eremit mit Lagerkoller im Spätstadium. Mann und Kind kleben an mir wie Abziehbilder und manchmal fällt es schwer, ihre und meine Beine, die sich andauernd ineinander verheddern, auseinanderzuhalten. Genauso klebt mein ungewaschenes Gesicht an der Vorderseite meines Kopfes, weil ich keinen Sinn darin sehe, es zu reinigen, denn es sieht immer gleich aus, weil mir die Grimassen vergangen sind. In unserem Daheim sind alle Verstecke ausgeforscht, alle Höhlen durchleuchtet, alle Schlupflöcher ausgeweitet oder zubetoniert, jedes Obdach lose. Und wenn jemand ein Geheimnis hat, muss er es schnell zu Grabe tragen. Noch im letzten Winkel, im hintersten Eck finden sie mich, jeder blinde Fleck ist für sie ein Augenschmaus, sie stöbern mich überall auf und lieben es, wenn mich der Erdboden ausspeit. Schluck auf! Rufen sie und ziehen mir die Decken weg.

Julya Rabinowich, 27.4.2020
Die Tage tauchen aus dem Nebel auf und verfestigen sich wieder. Es gibt eine Menge zu erledigen, eine gewisse Routine der Vorsicht, das Kind ist jetzt zwei Wochen da, das verändert alle Abläufe zu einer gewissen Normalität, allerdings seitwärts verschoben aus jener, die man vorher gewohnt war, alle fremden Rhythmen sind von uns abgezogen worden. Wir stehen zu Mittag auf und essen knapp vor Mitternacht zu Abend. Wir gewöhnen uns an eine gewisse neue Lust an diesem eingeschränkten Dasein, das auch schöne und innige Momente bietet. Ich erlerne das Streamen mit Ach und Krach und nehme an dem Homestage-Festival teil, an dem ansonsten nur Bands und Musikmachende teilnehmen, und fühle mich unfähig, aber rockig.

Nava Ebrahimi, 27.4.2020
7.25 Uhr: Die Kinder schlafen noch, der Countdown läuft. Ich kann jetzt, darf jetzt, muss jetzt schreiben. Heute ist Abgabe. Mir fällt nichts ein, außer: Tausend Mal berührt / Tausend Mal ist nichts passiert / Tausend und eine Nacht / und es hat Zoom gemacht. Hatten wir den schon?

Daniel Wisser, 27.4.2020
Rilke, verbessert: Wer jetzt kein Haus hat, kann nicht zu Hause bleiben.

Michael Stavarič, 27.4.2020
Ich bringe Euch mal lieber einige jenische Wörter bei, kann sich vielleicht eines Tages als nützlich erweisen: Der „Amtsbenk“ ist ein Beamter, der „Bachel“ ein grober Mensch, der „Benk“ u.a. der Teufel, der „Bezem“ ist der Penis, manchmal sei dieser gar „bibalengero“, demnach unbehaart. Die „Flutegatsche“ ist die Wasserwaage, der „Gallach“ der Pfarrer, der „Galmenguffer“ ist der Lehrer, die „Glonde“ oder „Glunte“ ist eine Schlampe, der „Hemmeldaide“ ist Gott, „Momele“ ist das Licht, der „Schmelo“ ist der Zigeuner, „Schuben“ sind Läuse, „Tscharo“ ist der Kopf, folglich „Tschomerer“ ein Kuss, der „Tschutscheschure“ ist ein Büstenhalter und der „Zindling“ ein Streichholz.

 

Die Corona-Tagebücher. Ein Projekt des Literaturhauses Graz

Konzept: Klaus Kastberger. Redaktion: Agnes Altziebler, Elisabeth Loibner.
© Bei den Autorinnen und Autoren. Nachdrucke nur nach deren schriftlicher Genehmigung und mit dem Hinweis: Der Text ist Teil des Projekts „Die Corona-Tagebücher“ des Literaturhauses Graz.

Weitere Infos: agnes.altziebler@uni-graz.at, Tel. (derzeit): 0664/8565146