Christiane Zintzen: Was wird Literatur?

Christiane Zintzen: Was wird Literatur?

in Dossier: Was wird Literatur?

Literatur wird. Sie wird ständig und überall, wenn man sie denn nur werden lässt. Sie wird, wenn die Leute, die als „Verantwortliche“ für das demokratische Werden der Literatur verantwortlich zeichnen nicht ständig am Verwalten von Früherem festhalten. Anders als die in Deutschland oder in den USA dynamisch sich organisierenden Literaturen und deren vielfältige Öffentlichkeiten, hält die generelle Organisation von „Literatur“ – Texte, Zeitschriften, Verlage, Veranstaltungslocations und -Modalitäten – in Österreich am Stand von 1975 ebenso eisern wie ängstlich und neurotisch fest: Stimmt, die Errungenschaften von Wiener Gruppe, Jandl, konkreter poesie, Neuer „Heimat“Literatur, Autobiographischer Modelle etc. sind achtenswert und entscheidende Stepping Stones für alle künftigen Schreibweisen. Aber Achtung: Sie sind für Jetziges Schreiben – für ein Schreiben, das Jetzige Menschen erfüllt und das anderen Jetzigen Menschen etwas „gibt“ und für sie Sinn & Form prägen kann – BASIS, nicht Ziel. Das ungemein reich alimentiert Österreichische Förderungswesen im Hinblick auf Autoren, Verlage, Distributionskanäle ist hoffnungslos falsch ausgerichtet: In skandalösem Ausmaß werden die Ewigen Nachahmer und Nachbeter gefüttert und wird somit jeder Weg ins Jetzige verstellt. Die Österreichische Literaturförderung stellt – zum jahrzehntelangen Unbehagen jener Menschen, die sich in ihren Dienst gestellt haben – eine immense Maschine der Unbegabten-Beihilfe dar. Der Karren sitzt fest und im Dreck, während an vielen anderen – nicht administrierten, nicht öffentlich alimentierten, sondern selbstorganisierten – Orten blühende Kreativität und fröhliches, sinnstiftendes Leben stattfindet: Literarisches Leben nämlich, das den Menschen jenseits elitärer, frustrierter, verquollener Zirkel buchstäblich und sinnlich etwas gibt. So, wie die derzeit beste Literatur des Landes. Sie stammt von Attwenger, von Nazar, von Skero und seinen Freunden des Neuen Wienerlieds.

Christiane Zintzen, Literaturwissenschafterin, Autorin und Kuratorin, geb. 1966 in Moosburg an der Isar. Herausgeberin des Netzliteratur-Magazins Acheronta movebo und Co-Herausgeberin von litblogs.net.