Egon Christian Leitner: Was jetzt, was tun? (Teil V)

in Literatur und soziale Gerechtigkeit

Der Grazer Autor Egon Christian Leitner wurde vom Literaturhaus Graz eingeladen, sich an dem gemeinsamen MitSprache-Projekt der österreichischen Häuser für Literatur zum Thema Literatur und soziale Gerechtigkeit in Form von monatlichen Text-Beiträgen zu beteiligen. Leitners Beiträge werden unter dem Titel „Was jetzt, was tun?“ von Jänner 2022 bis Mai 2022 auf der Homepage des Literaturhauses Graz veröffentlicht und gemeinsam mit Beiträgen der anderen Literaturhäuser auch auf der gemeinsamen Homepage mit-sprache.net vorgestellt. Das Projekt „Was jetzt, was tun?“ wird zudem bei einer Veranstaltung mit dem Autor am 1. Juni 2022 um 19.00 Uhr im Literaturhaus Graz der Öffentlichkeit präsentiert.


Im Gespräch mit Elke Edlinger, Markus Marterbauer, Fritz Orter, Armin Thurnher am 1. Juni 2022 in Graz im Literaturhaus, Einleitung Egon Ch. Leitner:

A.] Ehrlichkeit ist Energieersparnis, ein Berufsbergsteiger pflegt das zu Technikern, Wirtschaftsleuten, politischen Führungskräften zu sagen. Mit den eigenen Kräften sorgsam umzugehen, ist wichtig für ihn, weil er oft im Extremen ist in seinem Beruf. Er ist daher von Berufs wegen wahrheitsliebend: Er weiß, was Fehler bedeuten, sagt, wenn er einen Fehler mache, sei er weg. Er ist von Geburt an blind und sein Beruf ist zum Beispiel, dass er andere Leute auf Berge bringt. Blinde auch. Auch auf schwierige Berge alle. Die Leute vertrauen ihm. Er sagt zu den Leuten, wenn Blinde und Sehende gemeinsam auf einen Berg steigen, sei das viel sicherer, denn ihre Sinne ergänzen einander. Wenn hingegen nur Sehende auf den Berg gehen, nehmen sie weniger wahr und eine solche Tour von nur Sehenden sei in Wirklichkeit viel gefährlicher. Sein Körper sei, sagt er auch, ein Unternehmen: Die Oberen, die Vorgesetzten seien unzuverlässig und unfähig (seine Augen nämlich), und diejenigen, die unten arbeiten müssen im Unternehmen, bluten oft, nämlich seine Knie und seine Hände. Seine Schwester ist ebenfalls von Kind an blind. Die Eltern haben die blinden Kinder stets so erzogen wie Sehende. Zum Beispiel haben sie für sie jedes Jahr die Christbäume geschmückt und die Kerzen angezündet und haben ihren Kindern Eislaufen und Skifahren und Radfahren beigebracht. Egal, was die Leute damals gesagt haben. Die Nachbarn sollen die Köpfe geschüttelt haben, was die Eltern da aufführen und wozu das denn gut sein solle und ob die Eltern denn blöde seien. Der Bergsteiger sagt des Weiteren, dass das Wort UNABHÄNGIG die größte Lüge sei, die unsere Gesellschaft erfunden habe. Unabhängigkeit sei heutzutage und überhaupt eine Art Betrug. In Wahrheit sei niemand unabhängig, denn jeder brauche dauernd andere Menschen. Und das sei ja vielleicht auch der Sinn des Lebens. Der Bergsteiger sagt auch, dass er es in seinem Beruf eigentlich nie mit der Angst zu tun bekomme, denn er sehe ja nichts und daher in keinen Abgrund hinunter. Sondern der Körper sei mit ganz anderen Dingen beschäftigt, mit dem wirklich Wichtigen eben.

B.] Die Frau, die einen Laib Brot um 70 Milliarden Euro einkaufen muss, ein paar Tage später fällt der Brotpreis auf 40 Milliarden Euro. Sie glaubt, dass das Leben der Menschen ein ständiges Gesundwerden sei, eine Art Übung, der zur Folge die Menschen einmal leben können werden. Die kleinen Leute und deren Familien haben, sagt sie, nur die Gesundheit; die ist die Arbeitskraft; wenn sie die verlieren, seien sie verloren. Aber einmal werde das alles anders sein. Die Frau ruft immer nach ihrem Kind, sagt, sie wisse doch, dass es da sei; es solle sich ihr doch zeigen. Vor ein paar Wochen ist es im Krieg zugrunde gegangen. Gleich am Anfang des Krieges. Als der dann Jahre später zu Ende ist, fragt sie alle möglichen Leute, ob sie wissen, wer jetzt in diesem Krieg der letzte Gefallene ist. Bekommt keine Antwort. Jahrelang bearbeitet sie dieselben Steine. Die stellt sie in dem anderen Land auf das gewaltige, riesige Feld, wo sie weiß, dass dort ihr Kind umgekommen ist. Immer bildet sie Mütter ab, die Kinder schützen. Und einmal eben sieht sie im Fluss vor sich eine tote Mutter, die wie eine schwimmende Insel auf dem Wasser treibt, und ein Kind sitzt auf dem toten Körper in Sicherheit. Dass man ja doch endlich losbrechen müsse, auf jede erdenkliche Weise losbrechen, flehte sie. Mitreißend lachen konnte sie auch. Brach oft in freundliches Lachen aus, mit anderen zusammen, in befreiendes Lachen, wie man so sagt, und da war alles gut dann für die Zeit für die Leut’, die mit ihr waren, und für die Frau selber auch und alles, was zu tun war, ging da als ob von selber und genug Kraft war da für alles. Der Losbruch der Käthe Kollwitz. Wer noch?

C.] Man soll fauchen wie ein Löwe. Brummen wie ein Bär. Meckern wie eine Ziege. Oder man soll einander freundlich zuwinken. Lachyoga. Lachen und dabei in die Hände klatschen macht munter; die Lachlaute sind je verschieden gut: Hihi weckt einen auf, das Hirn. Haha labt das Herz, Hehe den Hals und die Gefühle und macht immun. Hoho ist gut gegen den Groll, gegen die Wut. HihihiHeheheHahahaHohoho soll man der Reihe nach lachen, weil das heilsam ist. Und mit den Armen schwingen wie ein Vogel und dabei eben lachen soll man. Oder sich auf den Rücken werfen wie ein Käfer, der um sein Leben kämpft und sich abstrampelt und wieder auf die Beine kommt. Lustig Lachen kann jedenfalls jeder. In jeder Lebenslage. Und man muss eben immer tun, was man kann. Huhuhu ist auch gut, fürs Gedärm in jeder Hinsicht. Um den Alltag zurzeit und künftig geht es heute Abend, sehr geehrte Damen und Herren, um nichts sonst. Sollte Ihnen das, was ich in meinem Teil der Veranstaltung Ihnen bislang zugemutet habe, bereits zu viel geworden sein, in Besonderheit angesichts der permanenten realen eskalierenden Ausnahmezustände, in die politisch, sozial und ökonomisch zurzeit immer unausweichlicher hineingeraten wird – nun, mit Verlaub: Systematisches Auslachen oder auch systematisches innerliches Lachen hilft angeblich auch in Extremsituationen. Just eben in diesen. Hahaha sofort gegen jede Angst. Hihihi, auf dass das Gehirn munter ist, Hehehe für die eigene Immunität und den eigenen Hals, Hohoho gegen Groll, fremden wie vergeblichen eigenen, und Huhuhu eben fürs Gedärm in jeglicher Hinsicht. HahaHeheHihiHohoHuhu.
Apropos C: Der Dalai Lama, sehr verehrte Damen und Herren, fehlt mir seit Jahren sehr und jetzt sowieso. Der ist mir früher immer furchtbar auf die Nerven gegangen, weil der immer, wo er gerade war, Hand in Hand mit allen jeglichen Politikern gegangen ist. Die roten und grünen Politiker waren stolz und haben sich gefreut, doch freundlich die Händchen haltend ist der Dalai Lama halt mit Ronald Reagan und Bush Vater und Sohn auch gegangen und mit dem Jörg Haider sowieso. Und hat eben immer so viel gelacht dabei. Das Ganze sehe ich wie gesagt aber inzwischen wirklich anders und bin nicht mehr aufgebracht, weil vor den Kopf und abgestoßen, sondern der Dalai Lama fehlt mir jetzt tatsächlich sehr. Sein öffentliches Lachen eben und sein öffentliches Handhalten und das Hand-in-Hand-Gehen. Einmal nämlich habe ich wahrgenommen, wie zerbrechlich Vaclav Havel dagestanden ist und den Dalai Lama angestaunt hat wie ein Kind den Nikolaus. Das hat mich sehr berührt. Und gar einer der namhaftesten und verblüffendsten Psychologen der Gegenwart ist, Schmäh ohne, durch den Dalai Lama gesundet. Die beiden sind nur dagesessen und haben einander die Hände gehalten. Stundenlang ist das so gegangen, fast einen Tag lang. Der Psycholog’ war als Kind und junger Mensch von seinem unberechenbaren Vater ständig schwer misshandelt worden, bis ins wehrhafte Erwachsenenalter eben, und die unberechenbare Mutter des Psychologen hat andauernd ausgerechnet ihr Kind für alles nur Erdenkliche im Leben beschuldigt und sich umgebracht, als es, der Psychologe, 14 Jahre alt war. Von diesen Dinghaftigkeiten her kam dann die ständige Wut des Psychologen, sein schmerzhafter Jähzorn und dass er immer unterscheiden können wollte und will, können musste, wann ein Mensch wirklich die Wahrheit sagt und in der Realität ist, also wirklich und wahr ist, und wann hingegen dieser Mensch lügt. Der Psychologe ist eben notgedrungen von klein auf ein Gesichtsforscher gewesen. Das Gesicht ist dem das Wichtigste geworden. Die kleinsten Bewegungen. Was geschieht jetzt: Erfolgt die Misshandlung oder hat man Glück. Werden die wieder wahnsinnig oder geht’s gut aus diesmal oder bleibt man ganz verschont. Oder wann hören die endlich auf. Er schult, wie das eben so ist, alle möglichen Leute, solche und solche, die Opfer und die Täter, Manager auch und Geschäftsleute und Medienleute und Kriminalisten, Fahnder, Ermittler. Das Unterscheiden-Können von Wahrheit und Lüge, Gut und Böse, Lebensfreude und Quälen, Wirklichkeit und Vernichten. Sich nicht verwirren lassen in den Situationen. Im Alltag nicht und in den Extremen nicht. Darum geht’s bei besagtem Psychologen. Und Vaclav Havel wie gesagt hat den lachenden Dalai Lama öffentlich vor Kamera empfangen und wie ein glückliches kleines Kind ihn angestaunt, als ob plötzlich der Nikolaus mit Sack und Stab bei der Tür hereinkommt. Ein paar österreichische Politiker sind dem Dalai Lama außerdem zwischendurch ja doch eh ziemlich auf die Nerven gegangen. Eine CD gibt’s nämlich, auf der er das OM intoniert, singt. Ich glaube: Minimum 20 Minuten lang. Eine Ewigkeit somit. Denn dieses OM des Dalai Lama geht einem angeblich durch und durch und bringt beim Hören irgendwie in extreme Zustände samt Schweißausbrüchen in den ersten Sekunden schon. Ein paar Leute eben sind in Besitz solcher CDs gekommen, österreichische Politiker eben auch. Und der Dalai Lama soll in der Folge sehr verärgert gewesen sein. Um den Tod geht’s beim OM und so weiter und ums Leben eben und auf der CD eben auch. Die endlose Göttin gebiert die endlose Welt unter endlosen Schmerzen. Der Laut dazu ist das OM. Ist mir erzählt worden. Jedenfalls haben den Dalai Lama ein paar österreichische dazumal führende Politiker diesbezüglich ziemlich zornig gemacht. Der Dalai Lama, der mir jetzt so fehlt, wurde als kleines Kind zuvorderst deshalb als solcher erkannt, weil er so große Ohren hatte. Das war ganz wichtig. Die Ohren machen die Wiedergeburt aus. Die mitleidsvolle. Das Lachen des Dalai Lama und das verlässliche Handhalten und die lustigen Ohren fehlen heutzutage allüberall, finde ich. Und dass es durch ihn früher eben doch ein bisserl lustiger war auf der Welt. Politisch und überhaupt. Die Welt als Wille und Vorstellung hat Schopenhauer zu solcherlei gesagt und der war ja irgendwie indisch-buddhistisch: Mögen alle lebenden Wesen frei sein von Schmerz. / Verletze niemanden, sondern hilf, so gut Du nur kannst. / Mögen alle lebenden Wesen frei sein von Schmerz. So hat Schopenhauer das Ganze sich jeweils gewünscht und vorgestellt. Die sogenannte Wunderfrage, kennen Sie die, sehr verehrte Damen und Herren? Die ist auch etwas Therapeutisches und eine Kommunikations- und eine Gesellschaftslehre auch. Gefragt wird man, wie das ist, wenn man sich schlafen legt und am nächsten Morgen aufwacht und die quälendsten, verhinderndsten Probleme plötzlich nicht mehr da sind. Es gibt die Probleme gar nicht mehr. Wie lebt man dann? Dieses Leben müsse man sich vorstellen. Man lebt es sodann. So in etwa ist das gedacht. Die sogenannte Wunderfrage. Eine Provokation sondergleichen. Finde ich. ‒
Ah ja, damit ich’s nicht vergesse, sehr verehrte Damen und Herren:
Niemand verlässt den Raum. Alle Ausgänge sind versperrt. Sie kommen hier erst wieder raus, wenn Sie die Probleme, derentwegen Sie hergekommen sind, gemeinsam gelöst haben. Es ist mir völlig egal, ob Sie dafür 2 Sekunden, 2 Minuten, 2 Stunden, 2 Tage, 2 Wochen, 2 Monate oder 2 Jahrtausende brauchen. Ob Sie überleben oder ob Sie jetzt mitsamt Ihren Familien Ihrer Existenz verlustig gehen, hängt einzig und allein von Ihnen ab. Wenn Sie etwas taugen, haben Sie nichts zu befürchten. ‒ In etwa auf diese Art und Weise pflegte Pierpont Morgan, zu seiner Zeit der mächtigste Bankier der Welt, wirtschaftliche Extremsituationen zu bereinigen und politische Katastrophen abzuwenden. Im Oktober 1907 bewahrte Morgan auf diese Art und Weise die Stadt New York vor dem sofortigen Bankrott, im November 1907 die Wallstreet und damit die amerikanische Volkswirtschaft vor dem Zusammenbruch, 12 Jahre zuvor, 1895, rettete er mit seinen Manieren und seinem Geld die Londoner Börse. 1929, angesichts des Schwarzen Freitags, trafen sich die mächtigsten Bank- und Konzernchefs der USA von neuem in Morgans Bankhaus. Diesmal blieb das Wunder von 1907 aus. Außerdem war der Wundertäter von 1907, John Pierpont Morgan, 1929 schon lange tot. Morgan mied und verhinderte ruinösen Wettbewerb, verlangte, heißt es, von Unternehmern und Geldleuten worttreue Integrität. Pierpont Morgan starb 1913, ein Jahr nach dem Untergang der Titanic. Er hatte die Titanic finanziell ermöglicht und das Schiffsunglück quälte ihn menschlich zutiefst. Er litt von Jugend an an tiefen Depressionen und schweren Ausfällen des Bewegungsapparates. Pierpont Morgan ertrug sein Äußeres kaum, ließ alle seine Pressefotografien retuschieren, wollte als Kunstsammler und als Gentleman bewundert werden. Seine Kritiker allerdings verweigern ihm, ob zu Recht oder zu Unrecht, entzieht sich meiner Kenntnis, die Bewunderung und den Respekt. Morgan habe nämlich in Wahrheit die amerikanischen Unternehmen, die Wallstreet, die amerikanischen Gemeinwesen, die US-Volkswirtschaft nicht aus gewaltigen Notsituationen gerettet, sondern jahrzehntelang immer wieder ganz bewusst in solche Notsituationen manövriert und daraus seine Kartelle, seine Trusts, sein Imperium lukriert, seine Banken, seine Eisenbahnen, seinen Stahlkonzern US-Steel, den größten damals der Welt. Gerade auch vom Crashjahr 1907 habe Morgan eiskalt profitiert, denn der damalige amerikanische Präsident ließ, sei es aus ökonomischer Vernunft, sei es als Dankesgeschenk, illegale Konzernübernahmen durch Morgans US-Steel zu. Außerdem habe durch Morgan die Wallstreet 1907 endgültig die Macht über die US-Volkswirtschaft übernehmen können. 1912, im Jahr eben der Titanic-Katastrophe, musste sich Morgan vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss für seine Kreditvergaben, Kreditverweigerungen, Fusionspraktiken und Trustverflechtungen verantworten. Völlig folgenlos für ihn. In der Einvernahme blieb er dabei: Geld habe er immer nur nach dem Charakter verliehen, denn der Charakter zähle für ihn weit mehr als sonst etwas auf der Welt. In Erinnerung an das Schreckensjahr 1907 übrigens, in dem die amerikanische Wirtschaft plötzlich ohne Geld dagestanden war und die Zukunft Amerikas von einem einzigen Mann abgehangen war, wurde die amerikanische Notenbank geschaffen. Zuvor hat es keine ähnliche staatliche Institution gegeben. Aus Pierpont Morgans Titanic-Schock freilich und von Pierpont Morgans systematischem Zusammenzwingen der Kontrahenten in andernfalls mörderischen Konflikten, Wirtschaftskriegen, wirtschaftlichen Bürgerkriegen hat die Nachwelt im Guten aber, vermute ich, nahezu nichts gelernt. Und das Schiff, das Schiff war neueste Spitzentechnik und die Mannschaft Elite und der Kapitän der Beste, daher wurde weitergemacht. Andere wären längst umgekehrt. Hätten sich das alles nicht getraut.

D.] Bin zufällig in einer Gruppe Anonymer Alkoholiker. Bin zutiefst beeindruckt. Von den Leuten da. Diese Unaufdringlichkeit, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit! Die AAs erzählen einander ihre Leben und wer wofür gut war. Sie sind nicht zerstört worden. Von den Zufällen, den Augenblicken erzählen sie. Vom Glück statt vom Schicksal. Menschen, die schon alles verloren oder zerstört haben, plötzlich einen lieben Menschen nicht verlieren wollen, die Frau, das Kind. Oder die plötzlich nicht dermaßen entstellt aufgefunden werden wollen. Oder irgendjemand fällt ihnen plötzlich noch ein, ein Gesicht. Ein geliebter Mensch. Zwischendurch ist das Ganze religiös. Aber das ist gut so, nur so ist Religion gut. Die AAs helfen einander, sind da, wenn sie gebraucht werden. Da ist jemand, ganz sicher, immer, egal, was geschieht. Man ist nicht allein, nutzt niemanden aus, bringt einander nicht um. Die anderen und der lebendige Gott und die Gewissenserforschung geben den Halt und alle Sicherheit. Die ersetzt, ersetzen die Sucht. Die[se] AAs [da] finden diese Art Gott wirklich plötzlich, die Erlösung, das Leben. Was mich besonders beeindruckt, ist das, was die AAs furchtlose Inventur nennen. Da erforschen sie, was sie selber anderen angetan haben. Antun, in der Sucht, durch die Sucht. Überlegen sich, wie sie das abstellen und wiedergutmachen können. Tun das dann auch. Aber unaufdringlich. Quälen niemanden mit ihrer Suchtvergangenheit, ihren Schäbigkeiten, wenn es den anderen, den früheren Opfern der Suchtkranken, von neuem Schmerzen bereiten würde; wollen niemandem neue Probleme machen. Sagen die volle Wahrheit denen, die sie hören wollen und denen sie vielleicht hilft. Jedenfalls haben mich die Anonymen Alkoholiker im tiefsten Herzen getroffen. Eine junge Frau, die nicht zugrunde gegangen ist, wird jetzt Jugendarbeiterin, ist überglücklich darüber. Glaubt, sie werde wirklich helfen können. Ich glaube ihr das auch. Sie wird von der Stadt angestellt. […] Eine Frau, die ihr Kind durch Suizid verloren hat, arbeitssüchtig gewesen war, hat die Anonymen Alkoholiker in die Veranstaltung eingeladen, bei der ich zugehört habe. Wirklich gelungen, weil durchdacht, weil durchlebt, war das Ganze. Das Beste, was ich je wahrgenommen habe. […] Die AAs sind eine wirkliche Hilfe. […] Der Anstand, der Charakter der AAs, der hilft. Jedem Menschen, glaube ich. Zu wissen, dass es das doch gibt! Dass es möglich ist! […A]lles ein Können! Alles Sicherheit. Hilfe. Man muss nicht sterben. Will leben, kann es. / Wenn Kinder erzählen, erzählt später dann eine Kinderärztin, fangen sie damit eben an und hören auf, wo es ihnen passt. Reden dann etwas ganz anderes. Und dann irgendwann einmal fangen sie wieder beim Schlimmen, Betrüblichen an, hören aber wieder auf und reden vom Guten, jauchzend, himmelhoch, und dann sind sie wieder betrübt oder vorsichtig und schweigen. Je nachdem, wie der Mensch ist, dem sie erzählen, erzählen sie selber. Zum Beispiel, wie schlimm die Sache ist. Sie schauen zwischendurch immer, ob sie dem, dem sie berichten, vertrauen können oder ob sie ihn in Schwierigkeiten bringen oder Schmerzen oder Schaden zufügen. Da hören sie dann sofort auf […]
Hiermit bin ich mit meinem ABC beim D am Ende, sehr verehrte Damen und Herren. Dass ich Sie hiermit unverschämter- und anmaßenderweise im schwachen Denken zu alphabetisieren getrachtet habe, mögen Sie mir bitte verzeihen. Ich hab’s sicherheitshalber deshalb getan, weil mir ein mir lieber Freund, um mich besorgt, gerade auch für den heutigen Abend da hier viel Kraft gewünscht hat. Und eine Freundin von früher hat mich besorgt gewarnt, ich solle ja nicht mit dem Publikum und dem Podium und gar den Veranstaltern streiten wollen und anfangen, mit Streit betoniere ich alles zu. Mich selber sowieso. Ein derartiges Verhalten wäre völlig kontraproduktiv in so schweren Zeiten, in denen ohnehin alle es so machen. Und dass ich ein verfehltes Verständnis von der gegenwärtigen Öffentlichkeit habe und mein Vertrauen vermutlich vergeblich in eben diese gegenwärtige Öffentlichkeit setze, ist mir auch gesagt worden. Was zurzeit vor sich gehe, sei nämlich wie vor mindestens 4.000 Jahren. Ein universitärer Friedensarbeiter, zuständig unter anderem für Medien, hat mir das so erklärt. Und wieder jemand anders, ein mir lustiger Berufshelfer, dass ich ja auf meine Gesundheit aufpassen soll und für viele Leute wie von einem anderen Planeten bin mit meinen ja doch vehementen Vorhaben und meinem vielen sehr seltsamen Vertrauen. In der Folge der vielen ratenden Besorgtheiten habe ich mich für den heutigen Abend und für künftig ein für alle Mal fürs schwache Denken und dessen Sympathisanten und Sympathisantinnen entschieden. Ist mir ja außerdem eh gar nicht anders möglich. Ist mir leichter so. Nicht nur mir. Mit Verlaub. Schwache Denkerinnen und schwache Denker und die Sympathisanten des schwachen Denkens halten sich zum Beispiel eher nicht an Zeitvorgaben samt Zwang, sondern sagen, Geschwindigkeit sei wie Krieg, Meute, Hetze, Jagen, Rausch, Furcht, Flucht, Schläge, Schüsse, Detonation. Oder sie reden davon, dass niemand vor irgendwas gefeit sei im Leben und üben das Sich-an-die-Stelle-des – Anderen-Versetzen-im-sozialen-Raum. Oder sie beschreiben das Überwältigt-Werden und das Ausgeliefert-Sein und den Schmerz, den Schock, das Lachen, das Atmen, Ein, Aus. Und was sie schwitzen, hören, riechen, schmecken, vor Augen haben, die Enge, die Weite, frieren, den Durst, den Hunger. Die Gefühle eben und die Empfindungen oder die Witterungen. Oder sie behaupten, wir leben allesamt in Tätergesellschaften und in der Angst, den Tätern zum Opfer zu fallen, selber Opfer zu werden, und halten deshalb zu den Tätern. Verhalten uns wie die Täter; werden die. Judith Nisse Shklar, geboren in Litauen und zu Lebzeiten eine der angesehensten Politologinnen der USA, hat das so geäußert, durchaus über die USA auch. Und zwar in ihrer Schrift Über Ungerechtigkeit und das Unrechtsempfinden und über das Beschuldigen der Opfer statt der Täter. Noch einen Sympathisanten, US-amerikanischen, des schwachen Denkens nenne ich hiermit namentlich: Rorty. Der litt zeitlebens mit an den Kriegserlebnissen seines zerrütteten Vaters. Für Richard Rorty war alles voll so viel Zufall und fragil und war die endlose Grausamkeit das Schlimmste im Leben. Das ist übrigens meistens so im sogenannten schwachen Denken. Das ist irgendwie schopenhauerianisch. Die Grausamkeit dürfe nicht sein und die Demütigungen dürfen nicht sein, heißt’s im schwachen Denken. Rorty glaubte keinen Schimmer an Gott, wohl aber an die Frauen und Kinder und im Übrigen daran, dass die Menschen einfühlsame Tiere sind, fähig, sich umeinander zu kümmern und gut aufgelegt zu sein und sich freundlich über allen möglichen zerstörerischen Quatsch rechtzeitig und heilsam lustig zu machen. Und statt in einem fort zu pseudoargumentieren, sollen die Menschen lieber quer durch die Nationen, Herkünfte, Zugehörigkeiten, Klassen, Schichten und Milieus heiraten oder ähnliches und ihren Kindern sollen sie beibringen, mitfühlend und hilfsbereit zu sein und auch später als Erwachsene bitte nicht verlogen. Dergestalt komme viel Frieden zustande statt der vielen Grausamkeit. Sagte Rorty, in etwa. Von Comics, Kino, Fernsehen und Medien hielt der viel, auch durchaus von Kitsch. Von allem eben, was gegebenenfalls, wenn man’s richtig macht statt falsch, dazu führt, dass Menschen sich miteinander identifizieren statt verfeinden. Vom freundlich und ehrlich und unaufdringlich Miteinander-Reden hielt er freilich am meisten. Die Staaten, jeden Staat, auch jede Demokratie, hielt er hingegen für nahezu jederzeit zu allem fähig, sowohl nach außen als auch nach innen, für faschismusfähig eben. Es komme nur auf die Umstände und Situationen an; auf die sogenannte Ausnahmesituation z. B. und den Dauerstress. Soviel zu Richard Rortys Halt im Leben. Sogar Kants Schrift Zum ewigen Frieden wird mitunter dem schwachen Denken zugerechnet. Jedenfalls ist diese lustig verfasst und lustig zu lesen. Wie ein Vertragsentwurf komponiert und elaboriert mit Präambeln und Anhängen und Klauseln und geheimen Zusatzartikeln. Ein fertiges Formular durchaus, in das man eigentlich nur mehr die Namen, Orte und sonstige Daten einzufügen bräuchte, dann könnte man es problemlos unterschreiben und dann ist wirklich Frieden und das bleibt dann Gott sei Dank auch so. Keinen in Verschuldung und Geldnot treiben; keine Irreführung, keine Heimtücke, keine Hinterlist; der Staat ist gewaltengeteilt und ein Rechtsstaat und an das Recht sind alle gebunden, gerade auch die Mächtigen, Reichen und Regierenden; irgendwie repräsentativ-demokratisch ist das Ganze bei Kant und jeder, der für einen Krieg stimmen will, muss wissen, dass auch er selber sämtliche Folgen des Krieges zu tragen haben wird. So ist das bei Kant. So steht’s im Vertrag. Schwaches Denken, aber prima! Meines Erachtens. Statt Aufklärung hat Kant übrigens auch gern Beleuchtung der Geschäfte gesagt. Und Kants Königsberg heißt jetzt Kaliningrad und ist 2 x so groß wie Graz zirka und russisch eben und liegt mitten in Europa ganz weit weg von Russland und die russische Ostseeflotte, die Baltikumflotte, ist dort stationiert und das auf die EU mitsamt Europa gerichtete Atomwaffenarsenal der Russen ist dort auch stationiert und russische Manöver sind jetzt dort auch beständig im Gange und Immanuel Kant rotiert dort eben seit über 200 Jahren in seinem Grab und findet seinen Frieden nicht. Obwohl ja wirklich alles im Vertrag steht. Aber die unterschreiben alle immer nie.
Unglück in Glück drehen, gemeint ist die Fügung, wie wenn eine Hebamme das Kind im Bauch dreht, so das Baby und die Mutter außer Gefahr bringt. Diese richtige, gekonnte, gelernte, zuversichtliche, einfache Handgrifffolge bei der Geburt wird vollführt ‒ und alles geht gut aus in dem Moment. Kein Schicksal waltet. Das Leben und die Chancen sind doch da. Werner Vogt sagt die Worte manchmal: Unglück in Glück drehen. Seinen Beruf als Arzt, als politischer Arzt, hat er wohl so gesehen. Konflikten ist er, wie Sie, sehr verehrte Damen und Herren, vielleicht wissen, nur selten aus dem Weg gegangen. Vielmehr waren die Konflikte, sagt er, seine Form der Nächstenliebe. Die wirklichen Probleme auf diese Weise zu handhaben und zu lösen, war Vogts Ausweg. Nämlich die Öffentlichkeit, der öffentlich ausgetragene Konflikt, das Vertrauen in die Öffentlichkeit und in den Rechtsstaat; und der Schutz durch beide waren sein Ausweg. Anfang Februar hat Vogt Geburtstag gehabt. Er war zeit seines Berufslebens Unfallchirurg. In jungen Jahren war er freilich zuerst Volksschullehrer gewesen. Ein Tiroler, wie Sie vielleicht ebenfalls wissen, sehr geschätzte Damen und Herren, ist er und ab irgendwann studierte er Medizin in Wien und tat seine Arbeit dann dort so, dass er in der Folge bei den ihm Anvertrauten und Schutzbefohlenen beliebtest war. Bei Politikern hingegen des Öfteren nicht sehr. Vor ein paar Jahren wurde er für sein Lebenswerk ausgezeichnet, in Besonderheit für seine Zivilcourage, und zwar von der Ärztekammer, und vorvoriges Jahr bekam er einen höchst ehrenvollen österreichischen Menschenrechtspreis. Überreicht wurde der von einer Richterin. Der erste Wiener Pflegeanwalt ist er auch eine Zeitlang gewesen. Jedenfalls waren Vogts Gutachten gleich zutreffend wie unbestechlich. Des Weiteren hat er beispielsweise die Abhilfe schaffenden Einfälle, welche Heimbewohnerinnen und Heimbewohner und deren Angehörige ihm oft in größter Verzweiflung anvertraut haben, damit das Leben endlich leichter wird für sie oder damit das, was ihnen selber widerfahren ist, anderen erspart bleibt, öffentlich gemacht. Z. B. das Recht auf den Garten müsse es endlich geben, nämlich die Betten ins Freie schieben. So können auch diejenigen ins Freie, die nicht mehr aus dem Bett kommen. Und endlich ein für alle Male dafür gesorgt müsse bitte werden, dass genug nicht kaputte Rollstühle da sind und dass die Barrieren, die 2, 3 Stufen, überbrückt werden oder ganz weggemacht, damit wirklich ein Weg ins Freie da ist für jede und jeden im Heim. Und auch, dass um Gottes willen doch ja ein Mensch da ist und Zeit hat, mitzugehen. Und prinzipiell dafür Sorge zu tragen sei, dass die Menschen im Heim ihren früheren Lebensrhythmus, Tag- und Nachtrhythmus, von zuhause eben auch im Heim beibehalten können und auch ihre ihnen wertvollen Lebensgegenstände von früher, z. B. ein paar Möbel. Und ein Grundrecht auf Lebensfreude müsse es sowieso endlich geben; und die frühere Lebensgeschichte müsse jemanden interessieren dort im Heim. Und das Essen müsse, zumal ja basale Sinnestätigkeit, köstlich sein statt abstoßend. Und möglichst nahe dort habe man die Heimplätze den Menschen sicherzustellen, wo die Menschen daheim waren, nicht irgendwo total weit weg von früher und dadurch total isoliert von allen und von allem. Grundsätzlich dürfen die Pflegeheime, so Vogt, niemals zu isolierenden und geschlossenen Anstalten werden, sondern müssen stets offen sein – denn durch die Offenheit und Öffentlichkeit der Einrichtungen bekommen sowohl die Patienten als auch das Pflegepersonal Hilfe von draußen und wird ihre alltäglich zugemutete Lebens- und Berufsnot zumindest gelindert; Aktion unschuldiger Blick hat Vogt derlei einmal genannt und die österreichische Bevölkerung dazu aufgerufen. Und das weiße Nachtkästchen darf um Gottes Willen nicht zum einzigen Privatraum der alten Frauen und alten Männer werden, hat eine Tochter an Vogt einmal voller Schuldgefühle in einem Brief geschrieben. Und die Motorik und Selbstständigkeit müssen mit allen Mitteln den Menschen solange nur irgend möglich aufrecht erhalten werden und die Intimsphäre absolut gewahrt. Und alles, was die Heimbewohner und die Angehörigen und die Schwestern und Pfleger zur Erleichterung vorschlagen und was sie alle eben selber sagen, dass sie brauchen, und was ihnen sinnvoll erscheint, müsse irgend möglich wirklich realisiert werden. Der Schutz, die Stressminimierung, die Autonomie und das Wohlergehen der Pflegepatienten seien außerdem zugleich der Schutz und das Wohlergehen der Pflegenden. Denn je unselbstständiger, abhängiger, hinfälliger und zerbrechlicher Menschen werden, z. B. durch Windeln und Schlaftabletten infolge der Einsparungen an Personal, Zeit und Geld, also je schäbiger, unzumutbarer, schwerer und rechtsverletzter das Leben den Heimbewohnerinnen und -bewohnern gemacht wird, umso schwerer, unzumutbarer und rechtsverletzter werden dadurch wie gesagt das Arbeitsleid und das Berufsleben der Schwestern und Pfleger. So einfach ist das alles. Es steht beispielsweise bei Vogt seit Jahrzehnten so publiziert. Man hat jedoch politikerseits das Menschen gefährdende Grundproblem, die gefährliche Grundstruktur, seit immer schon ignoriert, und so auch jetzt dann eben beim Isolieren der Pflegeheime im Jahr 2020 folgende. Man hat also die Pflegeheime zu geschlossenen Anstalten gemacht und dort drinnen sowohl die zu Pflegenden als auch die Pflegenden mit ihren Schwierigkeiten mutterseelenallein gelassen. Im Stiche eben.
Das Sozialstaatsvolksbegehren. Europaweit. Von Österreich aus das Ganze. Werner Vogt z. B. hat so etwas immer wieder zu realisieren versucht. Angeblich hat zwar hierzulande noch kein Volksbegehren je etwas bewirkt und glauben alle, es gehe bloß um Unterschriften. Falsch! Das österreichische Sozialstaatsvolksbegehren 2002, initiiert damals wie gesagt z. B. von Vogt und von Johanna Dohnal sowieso, ging bloß zu schnell (vorbei). Und, obwohl geglückt, infolge von Parlamentsauflösung infolge von Haider samt damaliger regierungsmachthabender Buberl- und Mäderlpartie in die Binsen. Das Potential wären wohl 1,5 Millionen Stimmen gewesen. Es hätte ein österreichweiter Diskussions- und Lernprozess werden sollen zum Zwecke der gemeinsamen Prävention vor künftigen Katastrophen. Im Gesundheits-, Pflege-, Bildungswesen, Wirtschaftsgebaren und Arbeitsleben. Die Sicherung ausreichender Grundversorgung in allen Bereichen. Geschützt dies durch die Verfassung. Wäre es bereits 2002 gelungen oder wäre die Idee, es zu wiederholen, nicht am Eigennutz von Parteien und Verbänden gescheitert, wäre der österreichischen Bevölkerung, bilde ich mir halt ein, viel jetzige Unbill erspart geblieben. Das Sozialstaatsvolksbegehren jetzt endlich wieder zu bewerkstelligen, würde da hier vor Schrecknis und viel Schlimmem bewahren. Angesichts des Weltwirtschaftskrieges und der permanenten Seuche und der weiteren anstehenden Naturkatastrophen und des totalen Ukraine-Massakers ist ein Sozialstaatsvolksbegehren oder etwas möglichst ähnlich Substanzielles dringende Notwendigkeit. Zwecks Sicherung der Grundversorgungen. Versorgungssicherheit! Zwar hat’s ja jetzt das vergebliche Volksbegehren gegen Kinderarmut, Verarmung, Arbeitslosennot gegeben. Und das entschlossene gemeinsame Vorgehen der Pflegeverbände, endlich. Und das zeigt vorgeblich Wirkung. Und CARE und MORE CARE gibt’s und auf die hoffe ich wirklich am meisten von allen. Aber einbilden tu ich mir eben und partout das präventive Sozialstaatsvolksbegehren von 2002. Mit Hand und Fuß das prophylaktische Sozialstaatsvolksbegehren von der Dohnal und dem Werner Vogt und vom Stephan Schulmeister und von Emmerich Tálos und so weiter und so fort.
Im Übrigen hat Werner Vogt einmal wie folgt formuliert: Das Ziel ist tatsächlich der Weg. Auf die Weise erspart man sich und den anderen die zeit- und kraftraubenden Umwege, die zu nichts führen als in die Irre, und die Ausflüchte, die ohnehin danebengehen. Wenn das Ziel der Weg ist, braucht man und darf man nichts aufschieben. Das, was zu tun ist, wird dadurch erreicht, dass man es tut.
Fritz Orter, in 14 Kriegen Berichterstatter. In diesen hat er die Mörder, Schänder und Quäler immer und immer wieder dasselbe sagen hören, nämlich: Wer zu uns gehört, braucht keine Angst zu haben! Den bringen wir nicht um. Wir bringen nur die um, die uns umbringen. Denen ist egal, dass wir verrecken, also ist es uns egal, dass die verrecken. Mir kommt vor, damit ist das entsetzliche Problem benannt, zugleich aber die Lösung, Befreiung daraus. Durch Orters Beschreibung der Kriegspsychologie ist die Herstellbarkeit von Frieden sichtbar gemacht. ‒ Damit Menschen einträchtig leben und einander hilfreich sein können, ist es nötig, dass sie einander sicherstellen, künftig nichts zu tun, was den anderen schädigen könnte. Eine Art Staatsdefinition ist das eigentlich. Von Spinoza kommt die. 17. Jahrhundert, Spinozas Reaktion auf den Dreißigjährigen Krieg war die wohl auch. Infolge des Dreißigjährigen totalen Krieges ist man übrigens, heißt’s, für 200, 300 Jahre in der Tat vorsichtiger geworden in Europa beim Kriegführen. Bis zum Ersten Weltkrieg. Wie auch immer: einander sicherstellen, künftig nichts zu tun, was den anderen schädigen könnte. Darum geht’s. Eine Art Sozialstaatsdefinition ist das auch. 17. Jahrhundert. Dreißigjähriger Krieg. Spinoza.
Friedensberichterstatter jedenfalls einzig würde er nur mehr werden wollen, nicht Kriegsberichterstatter, hat Fritz Orter oft gesagt. Als Krisenberichterstatter nämlich die bestehenden oder beginnenden Konflikte öffentlich analysieren und die Menschen in den sicheren Staaten da hier rechtzeitig dafür interessieren, was sowohl dort in den gefährdeten wie hier in den stabilen im Guten getan werden kann, damit es nicht zu den Eskalationen und Bestialitäten kommt ‒ das, nur das würde er wollen. Genau das! Für Orter (wenn ich zu viel Nonsens verbreite, wird er mir das da hier heute öffentlich ja eh sagen) war das Geistige stets eine Überlebensfrage, die Musik, die Gedichte, Mozart. Die Gedichte eben auch dafür gut, dass die Fassung und der Halt nicht verloren gehen und dass alles wesentlich wahrgenommen und gesagt werden kann und kurz und genau und schnell, geistesgegenwärtig eben. Beruflich und vor Ort und verantwortungsvoll inmitten der Realitäten. Zitat Orter: Die Zerstörung der Vernunft nicht zulassen, darum geht es. Ob’s geht, ist eine andere Frage. Gleichzeitig und ungleichzeitig geschehe alles, und alles wiederhole sich, an jeweils verschiedenen Orten oder sogar an denselben. Dennoch: Was im Journalismus, Zitat Orter, fehlt, ist, dass Entwicklungen, Fehlentwicklungen, vorzeitig und rechtzeitig benannt und berichtet werden, was ja durchaus möglich wäre. Es ist ja zu durchschauen und man kann es kapieren. Der Kriegsjournalismus müsse präventiv und prophylaktisch sein und werden, Friedensarbeit eben. Seine Weise der Berichterstattung habe er immer als Menschenberichterstattung verstanden. So Hilfe zu ermöglichen mitversucht. Eine Dokumentation vom Sinn wollte Orter auch einmal herstellen, handelnd davon, wie die Schicksale waren und sind. Was aus den Menschen wurde. Zum Beispiel der Mann, der im Haus zu verbrennen drohte. Weil das Kamerateam, Orters Kamerateam, filmte, wurde dieser Mann von den örtlichen Einsatzkräften gerettet, sonst hätte man ihn verbrennen lassen. Oder zum Beispiel ein Kind mit weggefetzten Beinen, der Vater hat es in den Armen gehalten; infolge der Anwesenheit des Kamerateams und infolge des Nachrichtenberichts wurde der Bub ausgeflogen und behandelt und lebt. Und auch hat gerade die Ortersche Berichterstattung aus Rumänien während der Revolution, vor allem aus Temeswar, dazu beigetragen, dass damals die österreichische Rumänienhilfe möglich und hilfreich war und blieb. Was in Afghanistan geschehen wird, wenn die Amerikaner abziehen, hat er Jahre vor jetzt benannt; wie die einen wegkönnen, die anderen nie und nimmer. Und das permanente und irgendwie korrupte Nachgeben des Westens Putin gegenüber hat Orter tatsächlich stets als unerträglich schweren Fehler erachtet. Die Ukraine z. B. 2015, den eingefrorenen Krieg, hat er mit Verlaub auch ziemlich erklärt. Zitat Orter, Auswege-Gespräch anno 2015: In der Ukraine geht es […] um die Flottenverbände auf der Krim. Das ist der einzige eisfreie Zugang. [Obwohl die Russen die Krim ohnehin schon okkupiert haben, ist deshalb kein Friede], weil sie einen Korridor brauchen, und der geht durch die Ukraine. Die Truppen auf der Krim müssen ja versorgt werden. Das geht nicht andauernd per Flugzeug. Und der NATO-Westen will natürlich amerikanische Politik umsetzen. Die Amerikaner wollen die einzige Weltmacht bleiben. Sie ziehen 40 % ihres Militärpotentials wegen China im Pazifik zusammen, den Rest vor dem russischen Korridor. Und im Kosovokrieg ist es ebenfalls in höchstem Maße um die militärischen Interessen gegangen. Zitat Orter: Kosovo ist die größte NATO-Basis in Südosteuropa. Die Einflussmacht der Russen soll verringert und verhindert werden. Das Aufeinanderprallen der Russen und der USA war da durchaus gefährlich. Damals sind dort völlig unerwartet russische Truppen gelandet … Der damalige Kommandant der NATO hat gesagt, wegen der paar russischen Soldaten riskiere ich keinen Krieg. Vor einem Dritten Weltkrieg hat Orter, glaube ich, immer irgendwie Angst. (Hugo Portisch hatte die bekanntlich auch.) Einmal auch hat die Tochter des Arztes, der nach dem Attentat von Sarajevo auf den österreichischen Thronfolger diesen zu beschauen hatte, Orter den Dritten Weltkrieg prophezeit. Der Krieg verändere die Menschen völlig, und das mache ihm, Orter, Angst. Seine Arten von Befürchtungen und Sorgen hat er, kommt mir vor, stets offen und mutig benannt, hat auch gesagt, ohne Angst sei man in Gefahr, wirklich umzukommen. Und wie das ist, wenn mitleidlos schreckliches menschliches Leid im Fernsehen nicht gezeigt werden darf, um ja das Publikum nicht zu schockieren oder der Politik wegen; und dass reklamepsychologisch andererseits die Not und Furcht das Publikum verwirrt und hilflos und dadurch gierig macht nach den Werbeblöcken und dem Geld und dem Kaufen, weil ja Konsumieren die Aufregung stillt, hat er in etwa auch gesagt.
Warum gibt es in der Schule kein Unterrichtsfach, das Helfen heißt, und warum im Fernsehen kein Friedensprogramm? In der Schule ein Lernfach, das Helfen heißt, und im Fernsehen ein paar Stunden pro Woche ein Friedensprogramm! Auf jedem Sender die Analysen, was man wo tun kann, und in jeder Schule Helfen als Pflichtfach für da hier. Und endlich ein rechtzeitiges, präventives Sozialstaatsvolksbegehren zur Sicherung der Grundversorgungen, eine präventive Sozialstaatsbewegung zur Versorgungssicherheit, darum ist es gegangen, seit Jahren, Jahrzehnten. Ums rechtzeitige österreichische Sozialstaatsvolksbegehren wie gesagt und ums Helfen als rechtzeitiges Schulpflichtfach und um ein rechtzeitiges permanentes Friedensformat im ORF. So viel wäre erspart geblieben! So viel! Alles wäre einfach gewesen. Ganz einfach war’s. Ist’s immer noch, kommt mir vor. Zum ersten Mal wurden die Ideen fürs Helfen als Schulpflichtfach und für ein fixes wöchentliches Friedensformat im öffentlichen Fernsehen und für ein Wiederholen des österreichischen Sozialstaatsvolksbegehrens als Sicherung der Grundversorgungen so spätestens 2015 unter die Leute gebracht. Und zwar in Graz, im Bezirk Gries, in der Pfarre St. Andrä, im St.-Andrä-Saal, beim Herrn Pfarrer Glettler. Die Veranstaltung hieß Vom Helfen und vom Wohlergehen oder Wie die Politik neu und besser erfunden werden kann. Um die Auswege ging es und der Saal war voll bis hinaus in den Garten und das Publikum die Nachtstunden lang angetan und guter Dinge. Genützt hat das Ganze à la longue nix. Damals waren auf dem Podium Werner Vogt, Markus Marterbauer, Fritz Orter und moderierend die Arbeits- und Arbeitslosigkeitssoziologin Johanna Muckenhuber von der Denkwerkstatt Graz, und ich war auch mit von der Partie. Z. B. Vogt fehlt heute, aber dafür ist Thurnher da. Der ist auch gut für die Nerven. Meine z. B. Der ist mit seiner Zeitung irgendwie eine Welt in der Welt. Eine Welt in der Welt sein. Bei Pierre Bourdieu, wer immer das war außer der zu Lebzeiten angeblich meistzitierte Menschen- und Wirklichkeitswissenschaftler der Welt, steht das auch, so irgendwie halt. Eine Welt in der Welt sein. Elke Edlinger, die heute Abend moderieren wird, war damals 2015 in St. Andrä im Publikum dabei. Ich würde mich freuen, wenn sie, ich bitte Dich darum, heute auch von „Mehr für Care“ erzählen tät’ und von den Menschen, die sich für „Mehr für Care“ einsetzen. Und vielleicht hält sie es heute Abend ja auch für richtig, zu erzählen, wie es ihres Wahrnehmens Ukrainerinnen da hier jetzt in der Österreich-Welt geht. Sie und ihr Ehemann gehören jedenfalls zu den Österreicherinnen und Österreichern, die sofort einen Fluchtmenschen aus der Ukraine aufgenommen haben. Der Grazer Pfarrer Glettler von St. Andrä ist bekanntlich jetzt Bischof von Innsbruck. Und als solcher hat er die Podiumsmitwirkenden von 2015 respektive von heute da hier jetzt nach Innsbruck zu einer Tagung eingeladen. Die fand statt vor einem Monat, dauerte fast 8 Stunden bis spät in die Nacht. Heute da hier jetzt geht’s irgendwie weiter, aber keine 8 Stunden, bloß die 2 Stunden, die wir meines Empfindens in Innsbruck ruhig noch länger verweilen hätten können, ins Tratschen uns vertiefend. In der Innsbrucker Tagung ging’s darum, wie’s jetzt weitergehen wird mit Staat, Arbeit, Wirtschaft und Seele.
Ich erzähl’ hiermit selektiv weiter, woran ich mich selektiv erinnere. Thurnher sagte unter anderem, es sei, als ob man ohne soziale Medien als Mensch gar nicht mehr existiere. Das Wichtigste, was jetzt dagegen getan werden könne, sei: wirklicher Medienunterricht in den Schulen und der Bevölkerung weit deutlicher bewusst machen, was bereits geschehen ist und gerade eben weiterpassiert. Nämlich dass ausgerechnet die gigantischsten sozialen Medien in jeglicher Hinsicht Sonderstatus haben, de facto steuerbefreit sind und staatsrechtlich, wirtschaftsrechtlich, unternehmensrechtlich, wettbewerbsrechtlich hoch privilegierte, nahezu völlig unkontrollierte, unreglementierte Machträume bilden, gegen die Persönlichkeits- und Bürgerrechte einzuklagen die wenigsten Leute das Geld und die Lebenszeit haben. Das Gesamtgeschehen sei neoliberal. Technikeuphorie und Digitalisierung seien fundamentaler Bestandteil dieses Neoliberalismus. Und Verführen, Verachten und Zerstören Geschäftsprinzip, siehe Facebook, siehe Zuckerberg. Und was die Zeitungen betrifft, die geraten ohne faire staatliche Medienförderung unter immer stärkeren Finanzierungszwang durch Werbung. Mit allen sowohl Qualität und Niveau als auch die Objektivität und die Unabhängigkeit beeinträchtigenden Folgen. Möglichst viel Aufmerksamkeit erreichen zu müssen zwecks maximalen Verkaufs, mache auch Qualitätsmedien anfällig für Manipulation, Fakes und für falsche Geschichten erfindende Reporter. Und lebensgefährlich gar könne für Menschen dieses medial-ökonomische Hetzen nach Aufmerksamkeit werden, denn die realen Extreme werden, z. B. per Aufmerksamkeitsalgorithmus in den sozialen Medien, in der Realität noch extremer, bizarrer, aggressiver. Bis dann eben in Malaysien der Völkermord an den Moslems begangen wird. Oder in Washington das Kapitol gestürmt wird.
Markus Marterbauer hat für eine gut begründet hoffnungsvolle Wirtschaftspolitik geredet und gegen die herrschende Politik der allgegenwärtigen Angst und des Angstmachens. Mit einem der mutigsten Reichtumsforscher und umsichtigsten Kinder- respektive Jugendpsychotherapeuten zusammen hat er ein Buch geschrieben mit Herzensweite eröffnendem Horizont. Vorgestellt wird das Werk in Graz von beiden Autoren gemeinsam druckfrisch Anfang Oktober, ich weiß nicht, ob da hier im Literaturhaus oder in der AK, jedenfalls in Kooperation dieser zwei Einrichtungen. 80.000 Kinder in Österreich sind Opfer der Armut! Schlichtweg abschaffbar jedoch wäre die Gesamtarmut in Österreich, das Pflegeelend mit dazu, durch die sehr wohl moderate, die Wirtschaft nicht beschädigende, sondern ganz im Gegenteil fördernde Besteuerung von Millionärsvermögen. Davon also hat Markus Marterbauer in Innsbruck laut rechnend berichtet und wird dafür wie gesagt zusammen mit Martin Schürz im Frühherbst in Graz für wohl jegliche Auskunft zur Verfügung stehen. Heute Abend tut er das freundlicherweise auch schon.
Dass die Wahrheit das erste Opfer im Krieg ist, hat Fritz Orter in seinem Innsbrucker Vortrag nicht gelten lassen. Zitat Orter: Die Wahrheit ist das erste Opfer im Frieden. Die Lügen machen dann den Krieg möglich. Und von einem vor Kälte und Angst zitternden kleinen Mädchen im Bosnienkrieg 1992/93 hat er erzählt. Das Mädchen hat einen Vogel in einem Vogelkäfig mit sich getragen und geweint. Heute werde ich Fritz Orter vielleicht fragen, ob er weiß, was aus dem Mädchen geworden ist. Und ob er sein bislang letztes Buch Der Vogelhändler von Kabul auch deshalb geschrieben hat, weil Orter es eben nicht weiß. Und was aus dem Bischof von Banja Luka wurde, der zu Orter vor 30 Jahren zuerst Vergelt’s Gott sagte, als Orter für Nachbar in Not bei ihm war, und dann aber Orter sofort um Waffen bat. Wir brauchen Waffen. Was Fritz Orter dem Bischof von Banja Luka geantwortet hat damals und was Orter zurzeit zum Begriff Globale Gerechtigkeit einfällt, denn die war ursprünglich das von Orter für Innsbruck gewählte Thema gewesen, unmittelbar vor Kriegsbeginn, würde ich Orter heut Abend auch gern fragen. Orters hilfreicher Innsbrucker Vortrag trug dann jedenfalls den Titel Kain, wo … Das schwierige Projekt Frieden nach Kriegen.
Hermann Glettler redete in Innsbruck vor einem Monat vom Miteinander-die-momentane-Hilflosigkeit-Aushalten und dass es sehr wohl Lösungen und Auswege gibt, die sich auftun, egal ob dies im Moment erkannt wird oder nicht. Und vom Sich-nicht-lähmen-Lassen und vom Nicht-locker-Lassen. Und Lothar Müller, vormals Stadtpolitiker und Mandatar im Landtag, National- und Bundesrat und jetzt in der Pension einem Bündnis von 300 Hilfseinrichtungen und NGOs gegen Verarmung und Verelendung angehörend, sagte in etwa, die politische Ohnmacht sei nach wie vor nur eine scheinbare. Und der Armuts- und Globalisierungsforscher Andreas Exenberger, Wirtschafts- und Sozialhistoriker ist er auch, unter anderem, dass um Gottes willen niemand zurückgelassen werden dürfe, die Alltagsnot werde sich sonst unerträglich vervielfachen. Gerade auch für die Kinder und Jugendlichen. Die stellvertretende AMS-Leiterin Sabine Platzer-Werlberger, beruflich sozialisiert ‒ wie sie selber sagte ‒ in den 1980-er Jahren unter dem legendären Sozialminister Dallinger, der, wie Sie vielleicht wissen, sehr verehrte Damen und Herren, vorausschauend die 35-Stunden-Woche und eine Automatisierungssteuer installieren wollte zur Sicherung des Sozialstaates und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sympathisierte sowohl mit dem Volksbegehren zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes als auch mit dem für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Und die Caritasdirektorin Elisabeth Rathgeb will für die Ukraine von Ruanda lernen und von den Wahrheits- und Versöhnungskommissionen. Der Kardinal von Ruanda war ja fast zeitgleich zu unserer Veranstaltung in Innsbruck und man war eben sehr beeindruckt von den gelungenen Versuchen in Ruanda, von denen der Kardinal berichtet hatte. Die Innsbrucker Caritasdirektorin hat eine Friedensoffensive aller NGOs im Sinn, und zwar auch für den sozialen Frieden da hier in Österreich. Und das betagte Ehepaar Windischer, das in seinem Leben kleine und große Sozialprojekte noch und noch ins Leben gerufen hat, damit Menschen ein Leben haben können, hat gesagt, es habe hier wie sonst wo auf der Welt immer zuvorderst von denjenigen Menschen gelernt, die um ihr Leben kämpfen müssen. Und wenn die beiden in Konfliktgebieten kirchlich beauftragte Beobachter waren, haben sie aber vor Ort oft nicht viel sonst tun können, als den Hilfe suchenden Menschen zu versprechen, zuhause hier in Österreich zu erzählen, was sie wahrgenommen haben. Das haben die beiden Befreiungstheologiemenschen Vroni und Jussuf Windischer auch an besagtem Abend in Innsbruck getan. Jussufs theologisches Diplomarbeitsthema 1968 war gewesen: Make love not war und sein Dissertationsthema in der 1980-ern Gorbatschow. Und erzählt haben die Windischers an besagtem Abend in Innsbruck von Roma und von Palästinensern. Warum wohl.


Egon Christian Leitner, geboren 1961 in Graz, Studium der Philosophie und Klassischen Philologie. Kranken- und Altenpflege, Flüchtlingshilfe. Bourdieu-Spezialist, lebt und arbeitet als freier Autor vor allem in Graz. Literaturförderungspreis der Stadt Graz 2013 und Literaturstipendium der Stadt Graz 2016, KELAG-Preis beim Bachmannwettbewerb 2020. Zuletzt: Ich zähle jetzt bis 3 und dann ist Frieden. Sozialstaatsroman, letzter Teil (Wieser 2021).