Der Kunststudent Werner Schwab vor dem „Kunstkadi“

Der Kunststudent Werner Schwab vor dem „Kunstkadi“

in Objekt des Monats

Mail der Wiener Projektkünstlerin und Bildhauerin Gertrude Moser-Wagner vom 30. August 2017 an den Verfasser.

In den Jahren 1974 bis 1976 besuchte Schwab in seiner Geburtsstadt Graz die Kunstgewerbeschule am Ortweinplatz, gewählt hatte er den Zweig Holz- und Steinbildhauerei bei dem bekannten Bildhauerkünstler Josef Pillhofer. Noch vor Ende des dritten Schuljahres des eigentlich auf insgesamt fünf Jahre angelegten Schultyps stieg Schwab aber wieder aus. Es folgte die Latenzzeit eines nach Orientierung suchenden Schulabbrechers. Schwab stellte Überlegungen an, zum Studium an die Akademie der bildenden Künste nach Wien zu wechseln. Ein erster Versuch im Herbst 1977 in die Bildhauerklasse Bruno Gironcolis aufgenommen zu werden, schlug jedoch fehl, so besuchte er gemeinsam mit einem Jugendfreund, mit Harald Kostmann, gewissermaßen zur Überbrückung Lehrveranstaltungen am seit einigen Jahren an der Wiener Musikakademie bestehenden Institut für elektroakustische und experimentelle Musik. Ein Jahr später war Schwab mit seinem neuerlichen Aufnahmeversuch schließlich doch erfolgreich und kam nun (wie auch Kostmann) in der Meisterklasse des Bildhauers Bruno Gironcoli, der seit 1977 in Nachfolge Fritz Wotrubas die Bildhauerabteilung leitete, unter. An einschlägiger Vorbildung oder Qualifikation hatte er außer dem abgebrochenen Kurzbesuch der Kunstgewerbeschule eigentlich wenig vorzuweisen. Immerhin aber hatte es von ihm noch im Frühjahr 1978 in Graz eine erste Ausstellung (betitelt veraendung) gegeben. János Erdödy, eine Bekanntschaft aus der subkulturellen Grazer Künstlerszene, hatte damit am 10. März 1978 seine Produzentengalerie „cool tour“ eröffnet. Ein Jahr später, am 18.5.1979, folgte dann, wiederum in der „cool tour“-Galerie, die gemeinsam mit Kostmann konzipierte Aktion Der Teufel und der liebe Gott.
Im Herbst 1978 wechselten Schwab und Kostmann gemeinsam von Graz nach Wien und schrieben sich an der Akademie der bildenden Künste ein. Ihre Schlafplätze wechselten, sie kamen da und dort unter. Ab 30.1.1979 wohnte Schwab laut einem am Nabl-Institut archivierten Meldezettel (FNI-Schwab-L1-3.1.2.7.1) dann offiziell in einem Studentenheim in der Porzellangasse.
In Gironcolis Meisterklasse fielen die beiden Steirerburschen, wie die einstige Mitstudentin und Künstlerin Gertrude Moser-Wagner in einem Gespräch mit dem Verfasser zu erzählen weiß, sehr bald schon auf, etwa durch Auftritte grundsätzlich im Doppelpack, vor allem jedoch durch ihre Aufmachung (Overall, Militärstiefel, kurzgeschorener Schädel) und die betonte Inszenierung als Meisterklasse-Outcasts, Arbeitsverweigerer, Kunstdesperados, Sozialanarchisten. Moser-Wagner erinnert sich noch an das stets zu späte Erscheinen des „wilden Duos aus Graz“ zu den Meisterklassesitzungen – insgesamt legten es die beiden offenkundig auf Provokation an. Sie schauten eher sporadisch in der Akademie vorbei, betrieben auch sonst ihr Studium kaum ernsthaft und zielstrebig. Gironcoli wusste in einem Interview im Nachruf-TV-Portrait Endlich tot. Endlich keine Luft mehr. Werner Schwab 1958-1994 (Regie: Günter Schilhan. 3sat/ORF, 1994) bloß festzustellen, namentlich von Schwab eigentlich nie bildkünstlerische Arbeiten zu Gesicht bekommen zu haben. Dafür führten Schwab und Kostmann in der Erinnerung Moser-Wagners einmal eine gewagte „Kunstaktion“ durch mit „Böllerkracherei“ sowie angeblich getötetem Vogel. Der bekannt wenig gestrenge Kunstprofessor Gironcoli vermeinte den problematischen Ulk letztlich doch nicht so ohne weiteres dulden zu dürfen. Er rief seine Meisterklasse zu einer Besprechung zusammen, in der er kundtat, ab nun möge man ihn vorab über alle Aktionen, sollten sie in den Räumlichkeiten der Akademie geplant sein, informieren. Kostmann soll daraufhin sofort eine weitere Happening-Aktion angekündigt haben – eine Woche lang wollte er sich als „Hungerskulptur“ an den Heizkörper eines Atelierraumes ketten. Gegen Kostmann wurde daraufhin ein Arbeitsverbot ausgesprochen, letztlich musste er die Meisterklasse sogar verlassen (Gironcoli kam Kostmann mit der Ermöglichung einer Pseudo-Weiterinskription allerdings generös entgegen.). Bei Schwab zeigte sich Gironcoli noch nachsichtiger, insgeheim hoffte er – so in dem erwähnten Interview im Schilhan-Portrait – von ihm doch noch einmal Künstlerisches vorgelegt zu bekommen.
Von all diesen Vorgängen in der Meisterklasse Gironcoli berichtet Gertrude Moser-Wagner ausführlich in einem Mail vom August 2017.
Im Übrigen findet sich auch von Schwab selber in einem seiner im Nachlass erhaltenen frühen Arbeitsbücher eine Notiz – er skizziert darin eine mögliche Stellungnahme zur drohenden Relegation (FNI-Schwab-W1-1.1.A3, Bl. 36f., digital. A3 037). Schwab verwehrt sich in seinem Eintrag hauptsächlich gegen Gironcolis Absicht, unter den Mitstudenten eine Abstimmung – Gironcoli hatte ja, wie Moser-Wagner schreibt, in seiner Meisterklasse eine Art Mitbestimmungssystem etabliert – über den Rauswurf durchzuführen. Ein derartiges Votum fand letzten Endes nicht statt, Schwab verblieb vorerst in der Klasse und schied erst später freiwillig aus.

Harald Miesbacher