Das Literaturfestival im steirischen herbst.
Literaturhaus Graz: Montag, 4.10. bis Freitag, 8.10.2021.
Als indessen die Heftigkeit der Seuche zunahm, hörten alle diese Bräuche ganz oder teilweise auf, und neue traten an ihre Stelle. Denn nicht allein starben die meisten, ohne daß viele Frauen zusammengekommen wären, sondern gar manche verließen dieses Leben ohne die Gegenwart eines einzigen Zeugen, und nur wenigen wurden die mitleidigen Klagen und die bitteren Tränen ihrer Angehörigen vergönnt. Statt dieser hörte man nun meist geselliges Lachen, Scherze und Gespött, eine Weise, welche die Frauen, ihr weibliches Mitleid großteils verleugnend, um sich gegen die Krankheit zu wahren, meisterlich gelernt hatten.
Giovanni Boccaccio: Das Dekameron (1348-1353),
aus dem Italienischen von Karl Witte
In Florenz wütet die Pest. Sieben Frauen und drei junge Männer ziehen sich auf einen Landsitz in der Nähe der Stadt zurück und erzählen sich über zehn Tage hinweg jeweils zehn Geschichten. Um zu überleben, sich abzulenken und zu unterhalten. Boccaccios Dekameron, ein Meisterwerk der Weltliteratur, zelebriert eine andere Lebensform inmitten der Pandemie: Für jeden Tag wird von der Gruppe eine Königin oder ein König gewählt, der den Themenkreis der Geschichten vorgibt, an zwei Tagen herrscht freie Wahl. So entwickelt sich aus den Umständen heraus ein Erzählen gegen den Zustand der Welt.
Wie haben wir uns im Ausnahmezustand eingerichtet? Was haben wir gelesen? Was wurde geschrieben? Was ist jetzt zu tun? Nicht nur Gespräche, die uns gefehlt haben, sondern auch Elemente eines neuen Dekamerons bietet die Veranstaltung: Autorinnen und Autoren wurden eingeladen, uns mit Texten zu versorgen, die jetzt, genau in diesem Augenblick, die richtigen sind und uns gefallen oder nützen könnten. Was haben wir aus der Pandemie gelernt? Müssen wir unser Leben ändern? Oder möglichst schnell wieder alles vergessen, was gewesen ist? Auf diesen Gedanken verfällt am Ende unsere Literaturshow Roboter mit Senf.
Konzeption: Klaus Kastberger.