Radek Knapp: Schwejk, der Idiot von Amtswegen

Radek Knapp: Schwejk, der Idiot von Amtswegen

in Klassiker in fünf Minuten

Wer durch das schöne und ach so katholische Krakau schlendert, der stösst irgendwann auf eine Kleinigkeit, die gar nicht in diese hübsche Wohlfühlstadt passt. Auf einem Haus unweit des Zentrums hat man eine kleine Gedenktafel aus Marmor angebracht. Darauf steht: „Wegen Bettlerei und öffentlicher Störung saß hier in einer Einzelzelle 6 Wochen lang Jaroslaw Hasek“.
Damit hat der künftige Autor des „Braven Soldaten Schwejk“ die zwei wichtigsten Regeln der Schriftstellerei erfüllt. Erstens – nirgendwo schreibt es sich besser als im Gefängnis. Und zweitens, je näher der Autor dem Leben steht, desto mehr Leben kommt in seine Figuren. Unter diesen beiden Leitsternen ist wohl der größte und klügste Trottel der Literatur zur Welt gekommen. Man kennt ihn im deutschen Sprachraum unter dem Namen: Der brave Schwejk. Im englischen unter „the brave soldier svejk“ oder wie man im tschechischen Original seine Abenteuer bezeichnet: „osudy dobreho vojaka svejka za svetove valky“.
Es ist schon eine Weile her, als Schwejk zur Welt kam, und wir kennen ihn immer noch gut. Viel größere Namen von Filmstars, Künstlern und Jahrhundertkatastrophen sind in Vergessenheit geraten, aber Schwejk erfreut sich immer noch bester Gesundheit. Dabei sieht er nicht besonders appetitlich aus. Er ist klein, das Gesicht ist ein breiter, geröteter Zähler, der jeden ausgetrunkenen Krug Bier akribisch festgehalten hat. Die Augen sieht man kaum wegen seiner Pausbacken und über seinen Mundgeruch kann nur spekuliert werden. Und dennoch. Er steht heute mit Don Kichote, Hamlet und Faust in einer Reihe. Man kann es ins Lexikon auch schaffen, ohne solche Dinge von sich zu geben wie „Sein oder nicht sein“, oder „ich bin ein Teil dieser Kraft, die das Böse will und stets das Gute schafft“.
Es geht nämlich auch anders. Zum Beispiel mit angeborenen Schwachsinn und Grenzdebilismus, den ein Oberst während der Musterung der K.u.K Armee Schwejk bescheinigte, um ihn darauf tauglich zu erklären. Spätestens dann begann in dieser Gestalt, die auf dem Papier erfunden wurde, echtes Blut zu fließen. Schwejk wurde er auf den ersten Weltkrieg und generell auf die menschliche Dummheit losgelassen und schlug sie mit ihren eigenen Waffen.
Aus einem windigen Händler, der Straßenköter in reinrassige Hunde verwandelte, wurde nicht nur der misslungenste Soldat, den die Armeen dieser Erde je gesehen hatten, sondern auch noch der fröhlichste. Den Platz unter den Ewigen verdankt er seiner Idiotie, die ihn immer das richtige zum falschen Zeitpunkt sagen lässt.
„Hast du Angst vorm Fliegen, Schwejk? Nein, denn da oben ist noch keiner geblieben“, pflegte er seine Kameraden zu beruhigen, wenn Lebensgefahr drohte. Seinen Vorgesetzten antwortete er hingegen gerne: „Wenn alle Menschen klug wären, gäbe es auf der Welt so viel Klugheit, dass wir längst alle davon schon blöd geworden wären“.
Und als er schließlich feststellte, dass er, der Idiot von Amtswegen, von der allgemeinen Idiotie übertroffen wurde, tat er das einzig richtige: Er kletterte während der entscheidenden Schlacht auf einen Baum und feuerte beide Armeen gleichzeitig zum Sieg an.
Schwejk, dieses kleine Rädchen mit großer Klappe, hatte dem dunklen Tunnel unserer Existenz, wie die Philosophen hochtrabend das Leben nennen, keine Antidepressivtablette, sondern das große Lachen angeboten.
Wäre Schwejk heute auf die Welt gekommen, würde er staunen wie viel heute da ist, das ausgelacht und weggelacht werden müsste. Humor ist Schwerstarbeit. Nur die stärksten unter uns sind bereit sich dafür zu entscheiden.
Seine heutigen Nachfolger, wie der Kommissar Monk oder der Soldat Forrest Gump mögen nicht ganz den Schwejkschen Grenzdebilismus erreichen, aber sie erinnern immerhin an seine Botschaft:
„Ich bin ein Trottel und das Leben ist schrecklich, aber ich habe beschlossen es schön zu finden“.
Das ist, worum es in dem ganzen Spiel geht. Heute mehr denn je. Und wer das nicht kapiert, dem werden nicht einmal zehn Krug Bier helfen.