Gerhard Rühm

Geboren 1930 in Wien. Studierte Klavier und Komposition an der Wiener Musikakademie, danach privat bei Josef Matthias Hauer. Erste Kompositionen 1949, bereits Anfang der 50er Jahre liegt ein umfangreiches Musikwerk vor (Klavier- und Kammermusik, Lieder, Chansons). Mitbegründer der Wiener Gruppe (Achleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener). Bekannt wurde Rühm zuerst durch Buchveröffentlichungen experimenteller Poesie in den 60er und 70 Jahren. Rühms vielfältige Kunstproduktion zeichnet sich durch die Neigung zu Grenzüberschreitungen zwischen den Sparten Dichtung, Musik, Bildende, Radiophone und Szenische Kunst aus. Im Spannungsbereich zwischen Sprachkunst und Musik erarbeitete er unterschiedliche Konzepte auditiver Poesie, der Laut- und Dialektdichtung, Formen der Tonbanddichtung, des Neuen Hörspiels, des Chansons, des Melodrams oder der Tondichtung.
Rühm wirkte darüber hinaus impulsgebend als Theoretiker und Herausgeber (u.a. des maßgeblichen Sammelbandes zur Wiener Gruppe und der Werke Konrad Bayers). Er lehrte 1972-1995 an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Rühm lebt zusammen mit der Musikwissenschaftlerin Monika Lichtenfeld in Köln und in Wien.

Veröffentlichungen u.a.:
hosn rosn baa (zs. mit Friedrich Achleitner und Hans Carl Artmann; Frick 1959)
Die Wiener Gruppe. Achleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener. Hrsg. von Gerhard Rühm (Rowohlt 1985)
Sämtliche Wiener Dialektdichtungen (Mit 1 CD im Schuber) (Droschl 1993)
Visuelle Poesie. Arbeiten aus vier Jahrzehnten (Haymon 1996)
Lügen über Länder und Leute. Vollständige Erzählungen und Gedichte (Ritter 2011)
Eine Werkausgabe wird zudem seit 2010 bei  Matthes & Seitz fortgeführt.

 

 Gerhard Rühm ist ein umfassend, ein enzyklopädisch tätiger Künstler. Ein Gesamtkünstler. Geben Sie ihm einen Bleistift, und er macht Zeichnungen oder Bleistiftmusik. Geben Sie ihm eine Schreibmaschine, und er macht „schreibmaschinenideogramme“ (1954), konkrete Poesie oder lässt Goethes Erlkönig auf Schreibmaschine erklingen, wobei „der zeilenhalter“ ausdrücklich „so fixiert“ sein muss, „dass bei der letzten type der längsten zeile das klingelzeichen ertönt“. Geben Sie ihm einen Rahmen, und er erfindet das Bild. Geben Sie ihm ein Bild, und er macht den Rahmen zum Thema. Und wenn Sie schon gar nicht mehr wissen, was Sie ihm noch geben könnten, geben Sie ihm gar nichts, stellen Sie Rühm in einen leeren Raum ohne irgendwelche Gegenstände und Materialien: Sie werden den Raum nach kurzer Zeit nicht wiedererkennen.

(Michael Lentz: „Gerhard Rühm zum Achtzigsten. Spiel ist Ernst, und Ernst ist Spiel“ In: Online-Ausgabe der FAZ vom 12.02.2010)